Die Tiefsee und der Klimawandel

Die Tiefsee als gigantischer Kohlenstoffspeicher spielt eine große Rolle beim Klimawandel. Ein internationales Forschungsteam um Gerhard J. Herndl von der Universität Wien fand nun heraus, dass Tiefsee-Mikroben gelöste organische Stoffe verarbeiten – wenn auch nur ineffizient.

Alle organischen Verbindungen, die von Organismen im Meer produziert werden, wie z.B. Kohlenhydrate, Proteine, Nukleinsäuren etc., finden sich auch als gelöstes organisches Material im Meerwasser. Diese Moleküle werden durch Beweidung der Organismen des marinen Nahrungsnetzes freigesetzt.

Der Ozean als "Suppe" an gelöstem organischem Kohlenstoff

Die Gesamtmenge des im Ozean gelösten organischen Kohlenstoffs entspricht etwa der Menge an Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Das bedeutet, dass der Ozean ein riesiges organisches Kohlenstoffreservoir darstellt. Der gelöste organische Kohlenstoff des Meeres kann ausschließlich von Mikroorganismen umgesetzt werden.

Der gelöste organische Kohlenstoff des Meeres wird in den Oberflächengewässern effizient von sogenannten heterotrophen Mikroorganismen – hauptsächlich von rund einer Million Bakterien pro Kubikzentimeter Meerwasser – umgewandelt und in Bakterienzellen eingebaut oder "veratmet" und als Kohlendioxid in das Umgebungswasser abgegeben. In der Tiefsee hingegen ist dieser gelöste organische Kohlenstoff ca. 4.000 bis 6.000 Jahre alt. Aufgrund des enormen Alters der gelösten organischen Moleküle wurde bisher angenommen, dass diese für die in der Tiefsee lebenden Mikroben nicht verfügbar sind. Es wurde vermutet, dass es die Modifikation der Molekülstruktur für Mikroben der Tiefsee unmöglich macht, diese Moleküle effizient zu verwerten.


Gegenwärtig bereiten sich Mitarbeiter von Gerhard J. Herndl auf eine Forschungsfahrt  im Pazifik vor Hawaii, um den Einfluss von den in der Tiefsee herrschenden Druckverhältnissen auf die mikrobielle Aktivität in der Tiefsee zu studieren. (Foto: Adam Snow)



Diversität gelöster organischer Moleküle in der Tiefsee


In Experimenten, in denen gelöstes organisches Material aus dem Wasser aus 2.000 bis 5.000 Meter Tiefe des Atlantiks aufkonzentriert wurde, konnten Herndl und sein Team nun zeigen, dass Tiefwassermikroben durchaus in der Lage sind, dieses organische Material effizient zu nutzen. "Die hohe Diversität der gelösten organischen Moleküle in der Tiefsee und deren große Verdünnung ist der Grund, warum Tiefseemikroben diese Moleküle nicht effizienter nutzen können", erklärt Gerhard Herndl.

Die Diversität der gelösten organischen Moleküle wurde mit einem speziellen Instrument, dem "Fourier-transform ion cyclotron resonance mass spectrometry (FT-ICR-MS)", gemessen. Tausende von organischen Verbindungen konnten mit dieser Methode in der Tiefsee nachgewiesen werden. Berechnungen ergaben, dass in der Tiefsee eine Bakterienzelle aufgrund der geringen Konzentration der Moleküle und der großen Molekülvielfalt nur etwa alle 15 Sekunden bis 12 Minuten auf ein gleiches organisches Molekül trifft. "Unsere Conclusio lautet also: Die gelösten organischen Moleküle sind zu stark verdünnt, als dass sie von den Mikroben effizient genutzt werden können", so Herndl: "Diese Erkenntnisse stellen auch die vielfach diskutierte Strategie des Geo-Engineering in Frage, durch Speicherung von gelöstem organischem Kohlenstoff in der Tiefsee dem Anstieg des Kohlendioxid in der Atmosphäre entgegenzuwirken."

Die aktuellen Forschungsergebnisse sind das Resultat einer ERC-finanzierten Forschungsfahrt im Sommer 2012 an Bord des Forschungsschiffes Pelagia. Das internationale ForscherInnenteam publizierte dazu in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science". Finanziert werden Herndls Forschungen über einen ERC Advanced Grant sowie einen Wittgenstein-Preis des FWF. (af)

Die Publikation "Dilution limits dissolved organic carbon utilization in the deep ocean." (AutorInnen: Jesus M. Arrieta, Eva Mayol, Roberta L. Hansman, Gerhard J. Herndl, Thorsten Dittmar, Carlos M. Duarte) erschien in "Science".