Die innere Landkarte der Pfeilgiftfrösche

Selbst wenn Pfeilgiftfrösche hunderte Meter von ihrem Territorium entfernt ausgesetzt werden, finden sie mit Hilfe ihres scheinbar detaillierten Wissens über das Gebiet zielgerichtet wieder zurück. Forscher der Universität Wien werten das als Indiz für eine stark ausgeprägte innere Landkarte.

Über den Orientierungssinn von Amphibien ist nicht viel bekannt. "Das liegt auch daran, dass diese als relativ simpel gestrickt gelten und sich manche ForscherInnen auch nicht erwarten, dass es über diese Tiere viel Interessantes herauszufinden gebe", erklärt Max Ringler vom Department für Integrative Zoologie, Mitautor der aktuellen Studie.

Woran orientieren sich Pfeilgiftfrösche der Spezies "Allobates femoralis"? An unmittelbaren Umgebungsreizen oder aber an übergeordneten Hinweisen, wie dem Magnetfeld oder dem Stand der Gestirne? Dieser Frage ging ein Forscherteam rund um den Erstautor der Studie, Andrius Pasukonis vom Department für Kognitionsbiologie, im Zuge eines Feldexperiments nach. Dazu banden sie männlichen Fröschen im Regenwald von Französisch Guyana kleine Reflektoren für Radiowellen um, mit deren Hilfe sie die Bewegungen der Amphibien nachvollziehen konnten.

Kaulquappen breit verteilen

Im Gegensatz zu ihren Verwandten in der nördlichen Hemisphäre können sich die Tiere in den Tropen über das ganze Jahr fortpflanzen. Pfeilgiftfrösche legen ihre Eier an Land, dort entwickelt sich der Nachwuchs über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen. Erst dann ist es die Aufgabe der nur etwa zwei Zentimeter kleinen und zwei Gramm leichten Männchen, die Kaulquappen ins Wasser zu bringen. "Die laufen dann teilweise ein paar hundert Meter durch den Wald und tragen sie zu kleinsten Tümpeln", erklärt Ringler. Würden sie ihren gesamten Nachwuchs zur gleichen kleinen Wasserstelle bringen, wäre das nachteilig für dessen Überlebenschancen. Um die Kaulquappen verteilen zu können und nach Hause zu finden, müssen sich die Frösche also irgendwie im Wald zurechtfinden.

Um herauszufinden, woran sie sich orientieren, setzten Pasukonis und seine Kollegen zwei Frosch-Gruppen einer Population bis zu dreihundert Meter entfernt von ihrem Territorium aus. Eine Gruppe wurde am Festland innerhalb ihrer Population versetzt, die andere in gleicher Entfernung auf eine kleine Insel inmitten eines nahen Flusses gebracht, auf der sie nie zuvor waren. Die Festland-Frösche kehrten innerhalb weniger Tage und auf sehr direktem Weg zurück. "Die Tiere auf der Insel wussten dagegen überhaupt nicht, welche Richtung sie einschlagen mussten und sind völlig planlos auf der Insel herumgelaufen", so der Forscher.

Erstaunliche Fähigkeiten

Das legt den Schluss nahe, dass sich diese Pfeilgiftfrösche nicht an Magnetfeldern oder dem Stand der Sonne bzw. der Sterne orientieren. "Sondern eben sehr genau über die Umgebung ihres Territoriums Bescheid wissen", so die Forscher, die ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Biology Letters" der britischen Royal Society publizierten. "Anscheinend kennen sie ihre Umgebung im Umkreis von dreihundert Metern in- und auswendig", erklärt Ringler und ergänzt: "Viele VerhaltensbiologInnen haben Fröschen eine solche kognitive Leistung eher nicht zugetraut". Laut dem Forscher ist der Befund auch deshalb so interessant, da es sich hier nicht nur um eine abstrakte Fähigkeit der Frösche handelt, sondern die Notwendigkeit des Kaulquappentransports der "direkte biologische Grund" für die Entwicklung dieser erstaunlichen Fähigkeit sein dürfte. (APA/red)

Das Paper "Poison frogs rely on experience to find the way home in the rainforest" (Autoren: Andrius Pašukonis, Ian Warrington, Max Ringler, Walter Hödl) erschien am 19. November 2014 in "Biology Letters".