Der Ursprung des Sternenstaubs

Staub ist ein wichtiger Bestandteil des Materiekreislaufs im Universum und einer der Rohstoffe für Generationen von Sternen und Planeten. Der Astrophysiker Walter Nowotny hat eine innovative Methode entwickelt, um den Ursprung des Sternenstaubs zu erforschen.

"Wenn man heute im Internet nach dem Begriff 'Sternenstaub' sucht, bekommt man sehr diffuse Ergebnisse. Oft geht das in eine eher esoterische Richtung", erklärt Walter Nowotny vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Die Wissenschaft hat da eine klare Definition: "Unter Sternenstaub verstehen wir kleine Festkörper in der Größenordnung von Mikrometern, die wir physikalisch, chemisch und mineralogisch charakterisieren können." Je nach Art der mineralogischen Zusammensetzung wird der Sternenstaub in verschiedene "Spezies" – so der Fachbegriff – unterschieden. Die häufigsten Spezies enthalten die Elemente Sauerstoff, Magnesium, Eisen, Silizium und Kohlenstoff.

Das Ausgangsmaterial für Leben

Obwohl mikroskopisch klein, nehmen die winzigen Staubpartikel in den unendlichen Weiten des Weltalls eine zentrale Rolle ein: "Die kleinen Festkörper werden von sterbenden Sternen an das interstellare Medium abgegeben und dort in die nächste Generation von Sternen und deren Planetensysteme eingebaut", schildert der Experte. Auf lange Sicht liefern die Minerale des stellaren Staubs auch das chemische Ausgangsmaterial für Leben im Kosmos.



"Die zirkumstellaren Staubkörner stehen ganz am Anfang des kosmischen Materiekreislaufs. Wenn wir sie untersuchen und ihre Entstehung besser verstehen, können wir z.B. auch die chemische Entwicklung von ganzen Galaxien besser nachvollziehen", so Walter Nowotny zur Bedeutung seiner Forschungsarbeit. (Foto: F. Kerschbaum)



Rote Riesensterne und ihre Winde


Über die Existenz des kosmischen Staubs weiß die Wissenschaft bereits seit längerem Bescheid. Wie und wo er entsteht, ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. "Es gibt mehrere Orte, wo solche Partikel gebildet werden können", verrät der Astrophysiker: "Eine Möglichkeit sind Supernovae, gewaltige Explosionen am Ende der Lebenszeit eines massereichen Sterns. Kandidat Nummer eins für die Staubentstehung sind aber die Winde von Roten Riesen."

Rote Riesen sind die Endstadien massearmer, sonnenähnlicher Sterne, die als besondere Kennzeichen hohe Leuchtkräfte, kühle Oberflächentemperaturen und enorme Ausdehnungen aufweisen. Diese Riesensterne mit ausgeprägtem Massenverlust stoßen einen Großteil ihrer Anfangsmasse ab, unter anderem in Form von Staub, der von einem heftigen Sternenwind quasi ins All "hinausgeblasen" wird.

"Genau hier war auch unser Projekt angesiedelt, das auf die Modellierung dieser Winde abzielte und die detaillierte Behandlung des Staubentstehungsprozesses in den Mittelpunkt stellte", fasst Nowotny zusammen.


Foto: S. Höfner, 2012, Nature, 484, S. 172In den äußeren Atmosphärenschichten ausgedehnter Roter Riesen können sich aufgrund niedriger Temperaturen Staubkörner bilden. Sie werden durch die Strahlung aus dem Sterninneren radial nach außen beschleunigt. Die Staubpartikel reißen das umgebende Gas mit und lösen einen Massenausstrom – den Sternwind – aus.



Innovativer neuer Ansatz

Hierfür hat der Astrophysiker bestehende Verfahren zu einem innovativen neuen Ansatz weiterentwickelt, der Wind- und Atmosphärenmodelle kombiniert. "Damit können wir die physikalischen Prozesse in den äußeren Regionen dieser Sterne simulieren und basierend darauf detaillierte Spektren inklusive aller Molekül- und Staubbeiträge berechnen", so Walter Nowotny.

Daraus können die ForscherInnen u.a. Geschwindigkeits- und Dichteverlauf in der Windregion oder die Kondensationsgrade der einzelnen Staubspezies herauslesen. "Letztere sind ein Maß dafür, wieviel Material aus der Gasphase in Festkörpern auskondensiert ist. Die mineralogische Zusammensetzung des entstehenden Sternenstaubs liefert dann charakteristische spektroskopische Merkmale", erklärt der Experte im Detail.

Der Vorteil dieser Methode: Die berechneten Spektren lassen sich mit realen Beobachtungsdaten vergleichen, die mit Weltraumteleskopen gewonnen werden. "Wenn sich unser berechnetes Ergebnis mit den Beobachtungen deckt, stimmt auch unser Szenario der staubigen Winde mit den wirklich ablaufenden physikalischen Prozessen überein", so der Forscher.


Das Datenmaterial, auf das Nowotny seine Berechnungen stützt, stammt von verschiedenen Weltraumteleskopen wie z.B. ISO (Infrared Space Observatory) und Spitzer. Beide arbeiten im Infrarotbereich und ermöglichen es als Observatorien außerhalb der Erdatmosphäre, Himmelsobjekte auch bei Wellenlängen zu beobachten, die von der Erde aus aufgrund der Absorption unserer eigenen Atmosphäre nicht nutzbar sind. (Foto: NASA/JPL-Caltech)



Spannendes Puzzlespiel

Die Geheimnisse des Universums zu lüften, ist für die Wissenschaft ebenso sehr herausfordernd wie spannend. Walter Nowotny beschäftigt sich bereits seit seinem Doktoratsstudium mit roten Riesensternen: "Dieses Forschungsgebiet ist deshalb so faszinierend, weil hier die unterschiedlichsten Disziplinen aufeinanderprallen – die klassische Astronomie trifft auf die Astrophysik, Mineralogie und Mathematik."

Mit seinem kürzlich abgeschlossenen Projekt hat der Wiener Forscher nun einen interessanten neuen Modellansatz für die Scientific Community vorgelegt. "Irgendwann haben wir alle Puzzleteile zusammen, um den großen kosmischen Materiekreislauf zu verstehen. Und die Staubkörner sind eine essenzielle Komponente dieses Kreislaufs – darum ist unser aktuelles Projekt so wichtig." (ms)

Das FWF-Projekt "Die Ursprünge des kosmischen Staubes" von Dr. Walter Nowotny vom Institut für Astrophysik lief von 15. November 2009 bis 31. Dezember 2013. KooperationspartnerInnen sind Hans-Peter Gail (Institut für Theoretische Astrophysik, Universität Heidelberg), Susanne Höfner, Kjell Eriksson und Sarah Bladh (Department of Physics & Astronomy, Uppsala University) sowie Bernhard Aringer und Thomas Posch (Institut für Astrophysik, Universität Wien).