Der "Q"-Faktor

Sowohl für die Akustik von Musikinstrumenten als auch für die Konstruktion mikromechanischer Bauteile ist die mechanische Dämpfung der Schwingungen eine essenzielle Größe. Doch bisher war es nicht möglich, Dämpfungen vorauszuberechnen, die durch die Aufhängung der Mechanik verursacht werden. Einem Team von PhysikerInnen der Universität Wien und der Technischen Universität München ist es nun gelungen, eine solche Berechnungsmethode für den sogenannten "Q-Faktor" zu entwickeln. Dazu publizieren die ForscherInnen in der aktuellen Ausgabe des Online-Journals "Nature Communications".

Musikinstrumente sind die bekanntesten Beispiele für Resonatoren. Die mechanischen Schwingungen der Klangstäbe eines Xylophons oder einer Gitarrensaite verursachen akustische Schwingungen, die wir als Ton hören. Die Reinheit des Klangs ist eng verknüpft mit dem Rückgang der Schwingungsamplitude durch die mechanische Dämpfung. Zur Beschreibung der mechanischen Verluste nutzen die WissenschafterInnen den Qualitätsfaktor "Q", der die Anzahl der Schwingungen beschreibt, bis die Amplitude der Schwingung auf einen Bruchteil des Ausgangswertes abgeklungen ist. Je größer der "Q-Faktor", desto reiner klingt der Ton und umso länger schwingt das System, bis der Ton durch die mechanischen Verluste verstummt.

Mechanische Resonatoren

Auch in der Mikroelektronik gewinnen mechanische Resonatoren zunehmend an Bedeutung. Sie werden etwa als Filterelemente in drahtlosen Kommunikationssystemen oder als Timing-Oszillatoren für kommerzielle Elektronik eingesetzt. Die aktuelle Grundlagenforschung nutzt mikromechanische Resonatoren zur Entwicklung hochempfindlicher biologischer Sensoren, quantenelektronischer und optomechanischer Bauteile. Hierbei sind extrem reine Schwingungen erwünscht, um bestimmte Signale herauszufiltern oder kleinste Frequenzverschiebungen zu messen.

Wissenschaftlicher Durchbruch

Für viele dieser Anwendungen ist es notwendig, die mechanischen Verluste zu minimieren. Allerdings war es selbst bei einfachen Geometrien bisher nahezu unmöglich, den erreichbaren Gütefaktor "Q" vorauszuberechnen. Diese Hürde haben die Forschungsteams aus Wien und München (Garching) überwunden. Mit ihrem neuen Berechnungsverfahren auf Basis der Finite-Elemente-Methode können sie nun die designbedingte Dämpfung nahezu beliebiger Resonatorgeometrien vorausberechnen.

"So wie man eine Lichtwelle auch als Teilchen beschreiben kann, das sogenannte Photon, können sich auch mechanische Schwingungen wie Teilchen verhalten, die Phononen. Wir berechnen nun, wie die von der Schwingung des Resonators ausgehenden Phononen in den Träger des Resonators abstrahlen", erklärt Garrett Cole, Senior Researcher in der Arbeitsgruppe von Markus Aspelmeyer am Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) der Universität Wien. "Damit schaffen wir die Möglichkeit, diese Probleme berechnen zu können. Das ist ein Durchbruch für die gezielte Konstruktion solcher Bauteile."

Rätselraten hat ein Ende


Die Idee geht zurück auf eine frühere Arbeit von Ignacio Wilson-Rae, Physiker an der Technischen Universität München und Mitglied des Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM). In enger Zusammenarbeit haben die Teams in Garching und Wien nun eine einfache numerische Lösung entwickelt, die die Berechnung der mechanischen Verluste auf einem Standard-PC ermöglicht.

Die Vorhersagekraft des numerischen "Q-Solver" setzt dem gegenwärtigen Rätselraten und Herumprobieren bei der Gestaltung von mechanischen Resonatoren ein Ende. Besonders stolz sind die PhysikerInnen darauf, dass ihr Verfahren maßstabsunabhängig ist und so auf eine breite Palette von Szenarien angewandt werden kann, von nanoskaligen Bauteilen bis hin zu makroskopischen Systemen. (red)

Das Paper "Phonon-tunnelling dissipation in mechanical resonators" (AutorInnen: Garrett D. Cole, Ignacio Wilson-Rae, Katharina Werbach, Michael R. Vanner, Markus Aspelmeyer) erschien am 8. März 2010 im Online-Journal "Nature Communications".

Die Arbeiten wurden unterstützt aus Mitteln der Europäischen Kommission (Marie Curie Stipendium für G. D. Cole, Projekte MINOS, IQOS, QUESSENCE), dem European Research Council (ERC StG QOM), dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (Projekte START, L426; SFB Foundations and Applications of Quantum Science, FoQuS; Doktoratskolleg Complex Quantum Systems), der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Cluster of Excellence Nanosystems Initiative Munich, NIM). Die Herstellung der Resonatoren erfolgte im Zentrum für Mikro- und Nanostrukturen (ZMNS) der Technischen Universität Wien.