Das Hyksos-Rätsel: ERC Advanced Grant für Archäologe Manfred Bietak

Seit 1966 erforschen österreichische ArchäologInnen im östlichen Nildelta die Überreste der geheimnisvollen Königsdynastie der Hyksos. Dem Wiener Ägyptologen Manfred Bietak wurde nun ein hochdotierter ERC Advanced Grant zuerkannt, um die Herkunft der Hyksos zu enträtseln.

"The Hyksos Enigma – Das Rätsel um die Herkunft der Hyksos" lautet der Titel des nun ausgezeichneten Projekts – ein Thema, dem sich Manfred Bietak, emeritierter Professor am Institut für Ägyptologie der Universität Wien, schon seit Jahrzehnten widmet. Bereits 1966 hat der Forscher, der nun am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig ist, auf einem Ruinenhügel bei der heutigen Stadt Tell el-Dab'a die Hauptstadt der Hyksos entdeckt. Es handelt sich um eine Königsdynastie, die zwischen etwa 1640 und 1530 v.Chr. in Ägypten herrschte. Seit 2005 legte der Forscher mit seinem Team einen ausgedehnten Palastbezirk aus der Hyksos-Zeit frei.

Um das Geheimnis um die Herkunft der Hyskos zu lüften, hat der Europäische Forschungsrat (ERC) dem Ägyptologen einen mit bis zu 2,5 Mio. Euro dotierten Advanced Grant zuerkannt. "Beim nunmehr vergebenen ERC Advanced Grant geht es vor allem um historische Fragen, wie die Herkunft, die Art der Machtergreifung und den Impakt der Hyksos und ihrer Herrschaft auf Ägypten. Die dafür erforderlichen Forschungsarbeiten werden unter anderem im Rahmen von Doktoratsstudien an unserer Universität aufgearbeitet, um ein noch dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte neu darstellen zu können", erklärt Manfred Bietak.

ÜBER DEN ERC ADVANCED GRANT:
Die Förderung von grundlagenorientierter Pionierforschung ist einer der Schwerpunkte der Europäischen Union. Dafür wurde der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) geschaffen. Der ERC Advanced Grant ist die wichtigste europäische Forschungsförderung und unterstützt Projekte mit hohem Potenzial für Innovationen; er wird durch ein internationales Gutachtergremium mit renommierten ExpertInnen vergeben.
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Neue Erkenntnisse …

In den vergangenen Jahrzehnten wurden bei den Ausgrabungen enorm viele Daten über die Bevölkerung während der Hyksos-Herrschaft gewonnen. Sie lieferten neue Erkenntnisse über die Art der Siedlungen, über Palast-, Haus-, Grab- und Tempelarchitektur, über Opferrelikte und Grabbräuche. Zudem wurde eine gewaltige Menge von Relikten der materiellen Kultur, Pflanzen- und tierisches Knochenmaterial gesammelt, das auf Bräuche der Hyksos und ihrer Vorgänger Aufschluss gibt.

"Seit ich 1989 die Professur für Ägyptologie übernommen habe, waren StudentInnen des Institutes für Ägyptologie in die Forschungsarbeiten eingebunden. Viele von ihnen haben Teile der großen von mir geleiteten Grabungen in Tell el-Dab‘a und der der Nekropole von Theben West aufgearbeitet", schildert Bietak. Nicht wenige dieser KollegInnen haben anschließend auch eine Anstellung beim Spezialforschungsbereich SCIEM 2000 erhalten, in dem es um Bearbeitung von Chronologiefragen Ägyptens und des östlichen Mittelmeerraums ging.

… und offene Rätsel

Die geographische Herkunft der Hyksos, die Art ihrer Machtübernahme und ihre Rolle in der altägyptischen Geschichte ist aber bis heute ein Rätsel geblieben. In dem Projekt wollen Bietak und sein Team archäologische, historische, theoretische und Naturwissenschaften miteinander verbinden und "in einer holistischen Schau" die Herkunft, die kulturelle Auseinandersetzung zwischen den Einwanderern mit der Kultur des Gastlandes und den Einfluss der Hyksos-Herrschaft auf die Kultur des ägyptischen Neuen Reiches aufdecken.

So erhoffen sich die WissenschafterInnen von den menschlichen Überresten Auskunft über die Herkunft der Träger der Hyksos-Herrschaft. Die Knochen sollen dafür morphologisch sowie mit DNA- und Strontium-Isotopen-Analysen untersucht werden.

Eines steht für die ForscherInnen jedoch bereits fest: "Die Hyksos spielten in der Geschichte der Alten Welt eine wesentlich größere Rolle als bisher wahrgenommen. Sie waren es, die Ägypten in das Zentrum des Geschehens des Vorderen Orients im zweiten Jahrtausend v. Chr. hineingestoßen haben und die Grundlagen des Aufstiegs Ägyptens zur Weltmacht schufen". (APA/red)

Manfred Bietak war von 1981 bis 2010 Professor für Ägyptologie an der Universität Wien. Er war Direktor des Vienna Institute of Archaeological Science (2004-11), Vorstand des Instituts für Ägyptologie (1986-2010) und erster Sprecher des Spezialforschungsbereiches SCIEM 2000 der ÖAW beim FWF (1999-2011). Außerdem hat er das österreichische Archäologische Institut in Kairo gegründet und geleitet (1973-2009) und fungierte als Obmann der Kommission für Ägypten und Levante an der ÖAW (1993). Heute ist er Leiter der Forschungsgruppe "Tell el-Dab’a" am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) an der ÖAW sowie Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Ägypten und Levante/Egypt and the Levant" bei der ÖAW.
Manfred Bietak wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Großen Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, dem Silbernen Ehrenzeichen der Gemeinde Wien, und er ist Ritter des königlichen schwedischen Nordsternordens erster Klasse.