CSI: Forensik als Wissenschaft

Ein dunkles Hotelzimmer, eine aufgebrochene Tür, eine Leiche am Bett, Blutspuren am Teppich – was ist passiert? Um das herauszufinden, suchen und analysieren forensische ExpertInnen wie die Schweizerin Aline Girod-Frais jede noch so kleine Spur, die sie am Tatort finden können.

Ob "CSI", "Criminal Minds" oder "Cold Case" – TV-Shows, in denen coole ErmittlerInnen knifflige Verbrechen mithilfe forensischer Techniken aufklären, liegen voll im Trend. Doch bei all dem Hype sind sich wohl nur die wenigsten bewusst, dass hinter ihren geliebten Fernsehserien auch viel Wissenschaft steckt. "Forensik ist eine sehr interdisziplinäre Disziplin, deren Kernobjekt die Spur ist. Dank der Anwendung verschiedener Methoden zur Sammlung, Analyse und Interpretation von Tatortspuren können diese Informationen liefern, die der Justiz helfen, ein Verbrechen aufzuklären", erklärt Aline Girod-Frais, Postdoc Research Fellow und Projektleiterin in der Abteilung für Kriminologie des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.

Die Schweizerin, die derzeit mit einem Lise-Meitner-Stipendium des FWF einen Forschungsaufenthalt an der Universität Wien absolviert, weiß wovon sie spricht. Schließlich hat sie ihr Studium an der Rechts- und Kriminalwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne mit einem Doktor in forensischer Wissenschaft abgeschlossen. "Nach dem Bachelor habe ich mich für den Bereich der physischen Identifikation entschieden, wo es darum geht, eine Person oder ein Objekt anhand bestimmter Spuren wie Finger-, DNA- oder Schuhspuren zu identifizieren. Nach dem Master wollte ich weiter forschen: Ich habe eine Doktorarbeit über die Altersbestimmung von Fingerspuren geschrieben und wurde 2015 graduiert", schildert die Forscherin.

"Der Hype um TV-Serien wie 'CSI' hat sicher auch bei mir das Interesse für Forensik geweckt. Aber ich habe auch immer schon gerne Detektiv gespielt. Am Tatort braucht es ein gutes Auge und Gespür, um einen Tathergang so genau wie möglich zu rekonstruieren und alle relevanten Spuren finden zu können. Im Labor ist es genauso: Nur durch detaillierte Beobachtungen und die richtige Methodik können einer Spur alle Informationen entnommen und auch verstanden werden", so Aline Girod-Frais. (Foto: flickr.com/Ben Sutherland,CC BY 2.0)

Kommunikation im Fokus

In ihrem aktuellen Forschungsprojekt nimmt die Expertin die forensische Wissenschaft in Österreich unter die Lupe. "So wie in vielen Ländern existiert die forensische Wissenschaft hier nicht als akademisches Studium. Sie wird von ExpertInnen mit unterschiedlichsten Ausbildungen ausgeübt. Ich untersuche, wie diese ExpertInnen zusammenarbeiten, wie sie die Forensik einsetzen, wie sie mit physischen Spuren arbeiten und wie die Kommunikation forensischer Ergebnisse zwischen den verschiedenen AkteurInnen des Strafjustizsystems – Tatortgruppe, ErmittlerInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen – funktioniert", erläutert Girod-Frais. Gerade der letztgenannte Punkt sei in der Praxis nämlich oft verbesserungsbedürftig: "Für eine erfolgreiche und effiziente Ermittlungsarbeit ist eine gute Kommunikation unbedingt notwendig".

Um die Stärken und Schwächen des hiesigen Polizei- und Justizsystems im Bereich der Forensik identifizieren zu können, führt die Schweizerin eine anonyme Umfrage und Interviews mit Freiwilligen aus dem Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern und dem Justizwesen durch. "Mir geht es darum, die Meinung von den Fachleuten einzuholen, die im System arbeiten", betont die Wissenschafterin. Eine erste Umfrage mit DNA-ExpertInnen hat sie bereits durchgeführt. "Die restlichen sollten bis nächsten Sommer abgeschlossen sein, damit ich im Herbst mit den Interviews starten kann", beschreibt sie ihren Zeitplan.

Verschiedene Spuren

Inhaltlich konzentriert sich die Eidgenossin bei ihren Untersuchungen vor allem auf drei Kernbereiche: DNA-Spuren, Fingerspuren und Handschriften. "In der Praxis kommt es selten vor, dass man eine/n TäterIn aufgrund einer Spur überführen kann. Hierfür sind meist mehrere sowie viel Ermittlungsarbeit nötig", meint die Postdoc-Forscherin, die selbst bereits sieben Monate lang in einer Tatortgruppe in der Schweiz mitgearbeitet hat. "Ich habe bislang rund 50 Tatorte gesehen – vor allem Einbruchdiebstähle, es waren aber auch Suizid- und Mordfälle dabei", berichtet die Forensikerin.

Am häufigsten werden DNA-Spuren am Tatort gefunden – diese gelten als sicherste und effizienteste Spurenart. "Das können verschiedene Körperflüssigkeiten wie Blut, Speichel, Sperma oder aber auch Hautzellen und Haare sein. Viele vergessen zum Beispiel, dass beim Sprechen automatisch Speichel abgegeben wird, den man finden und analysieren kann", erläutert Girod-Frais. Fingerspuren werden schon seit über hundert Jahren am Tatort gesichert und können helfen, TäterInnen zu identifizieren. "Seltener, aber doch öfter als man im digitalen Zeitalter meinen könnte, kommt es vor, dass TäterInnen über Handschriften ausgeforscht werden, obwohl diese Spur meistens als subjektiv und unsicher angesehen wird", so die Projektleiterin.

Die sogenannten Papillarleisten der Fingerspuren – die charakteristischen Linien auf der Handinnenseite – können zur Identifikation einer Person führen. "Kriminelle verwenden deshalb oft Handschuhe oder versuchen, ihre Spuren mit speziellen Tricks zu manipulieren. So schleifen sie ihre Papillarleisten manchmal einfach ab. Es kam sogar vor, dass Haut von den Füßen abgeschnitten und auf die Hände geklebt wurde", erklärt Aline Girod-Frais. (Foto: flickr.com/Ishan Manjrekar,CC BY 2.0)

Gute Gründe für Österreich

Dass es die Schweizerin für ihr Forschungsvorhaben nach Österreich verschlagen hat, kommt nicht von ungefähr. "Allein aus historischer Sicht ist das ein interessanter Ort für die forensische Wissenschaft. Immerhin hat hier Hans Gross, einer der akademischen Pioniere unserer Disziplin, gelebt und gewirkt. Dennoch hat sich keine akademische Ausbildung der Forensik entwickelt. Dieser Widerspruch hat seinen Ursprung vermutlich in der Entstehung des jetzigen Strafjustizsystems", meint Girod-Frais.

"Die aus dem Projekt resultierenden Vorschläge, das System zu optimieren, könnten für viele europäische Länder interessant sein, da deren Strafjustizsysteme dem österreichischen im Ansatz ähnlich sind", ergänzt die Forscherin, die schon vor ihrem aktuellen FWF-Projekt mit einem Mobilitätsstipendium aus der Schweiz an der Universität Wien zu Gast war und bereits über gute Kontakte zu österreichischen KollegInnen aus Wissenschaft, Polizei und Justiz verfügt.

TV versus Realität

Übrigens: Wer wissen will, was die Expertin von der Darstellung forensischer Methoden in TV-Serien hält, bekommt eine eher ambivalente Antwort: "Gut finde ich, dass sie Methoden zeigen, die es tatsächlich gibt. Was allerdings meistens völlig falsch dargestellt wird, ist deren Anwendung. So wird zum Beispiel oft mit gefährlichen Chemikalien hantiert, ohne die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zu zeigen. Auch die DNA-Analysen gehen im TV viel zu schnell. In US-Serien werden die ProtagonistInnen quasi als SuperheldInnen dargestellt, die alles können – von der Spurensuche über die chemische Analyse bis hin zur Zeugenbefragung. So entsteht bei den ZuseherInnen ein völlig falsches Bild". (ms)

Das Projekt "Der Stellenwert der forensischen Wissenschaft in Österreich" von Aline Girod-Frais, Postdoc Research Fellow und Projektleiterin in der Abteilung für Kriminologie des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, wird im Rahmen des Lise-Meitner-Programms des FWF gefördert und läuft vom 1. September 2017 bis 31. August 2019.