CSI an der Universität Wien

Bei jedem Schritt fängt sich Pollen in unseren Schuhen, unserer Kleidung, unseren Haaren. Diese Tatsache macht sich die forensische Palynologie zunutze. Martina Weber von der Universität Wien ist eine von wenigen WissenschafterInnen weltweit, die sich mit Pollen und Forensik auskennen.

Was tut man nicht alles für Erkenntnisgewinn: Die einen reisen in die kältesten, entlegensten Regionen der Erde, um Eisbohrkerne zu bergen, die anderen trainieren Vögel monatelang, um deren kognitiven Fähigkeiten auf die Schliche zu kommen. Und dann gibt es da noch Martina Weber. Sie kauft Schuhe. 70 Paar idente Nike-Sneakers, um genau zu sein.

Keine Sorge, es geht noch immer um Wissenschaft, um ein sehr spannendes Forschungsprojekt noch dazu. Denn Weber ist Expertin auf dem Gebiet der forensischen Palynologie. Über ihr aktuelles FWF-Projekt sagt sie: "Wir imitieren Einbrüche. Das ist bei der Polizei ein riesiges Thema."


Es gibt weltweit nur eine Handvoll Leute, die sich mit Pollen und Forensik beschäftigen, unter ihnen Martina Weber (Bildmitte) und ihr kleines Team vom Department für Strukturelle und Funktionelle Botanik: Silvia Ulrich und Philipp Preusche.



Und dann erklärt die Botanikerin: "Pollen ist überall, und jeder Ort hat sein individuelles Pollenmuster. Was die meisten Leute nicht wissen: Auch in Innenräumen findet sich viel davon." Die forensische Palynologie macht sich dies zunutze und verwendet Pollen und Sporen (von Moosen, Farnen und Pilzen) zur Aufklärung von Kriminalfällen. Proben von Verdächtigen werden mit Proben vom Tatort, von Gegenständen und Opfern verglichen. "Wenn man Ihre Schuhe nach dem Besuch bei mir untersuchen würde und Sie streiten ab, hier gewesen zu sein, könnten wir das Gegenteil beweisen", schmunzelt die Wissenschafterin.

Pollen in Innenräumen

Versuchsort für das "kuriose Projekt", wie Weber es nennt, ist die Wohnung von Philipp Preusche, der im Rahmen des FWF-Projekts "Forensic Palynology: Pollen Transfer to Shoes" seine Dissertation macht. Über Pollen in Innenräumen und seinen Nutzen für die Forensik ist nämlich sehr wenig bekannt. Und so wurde im Dienste der Forschung dort eifrig Staub gewischt, denn Weber und ihre MitarbeiterInnen wollten genau wissen, welcher Pollen in der Wohnung zu finden ist. Findet sich im Wohnzimmer anderer und mehr als in der Küche, im Vorzimmer, im Klo? "Ganz viele Parameter beeinflussen das Pollenmuster, in erster Line sind es aber Luftströmungen, die wichtig sind", sagt Weber. "Wir haben uns zunächst einen generellen Überblick verschafft." Und was konnten sie herauslesen? "Die Jahreszeit etwa, und wie konstant oder verschieden das Pollenprofil in den unterschiedlichen Räumen ist."

In einem weiteren Experiment fungiert Philipp Preusche sozusagen als sein eigener "Einbrecher", indem er mit den nagelneuen Schuhen für einige Zeit durch die eigene Wohnung geht. In der Folge ermitteln die WissenschafterInnen, welcher Pollen von den Schuhsohlen aufgenommen wird. Im nächsten Schritt –  mit dem nächsten Paar Schuhe – imitiert der Botaniker einen möglichen Fluchtweg, z.B. von der Wohnung zur Schnellbahn, in einen Park oder bis zum Institut am Rennweg.


"Pollenkörner sind schön", sagt Martina Weber und verweist auf die Pollendatenbank PalDat. "Pollen ist der Entstehungsort und der Transportbehälter des männlichen Erbguts. Die Pollenkörner, mit den Spermazellen im Inneren, werden von Wind, Tieren oder Wasser zum weiblichen Teil der Blüte transportiert. Für den Schutz vor verschiedenen Umwelteinflüssen sorgt die widerstandsfähige Pollenwand, die selbst Kochen in Flusssäure und Schwefelsäure verlustlos übersteht."



Im November startet ein weiteres Experiment, bei dem blühende Pflanzen in seine Wohnung gestellt werden. Insektenblütige, nicht windblütige wohlgemerkt, denn "die haben hohe forensische Relevanz", sagt Weber. Sie wollen herausfinden, ob die Pollenzusammensetzung eines Innenraums durch zusätzliche (blühende) Zimmerpflanzen signifikant verändert werden kann.

Die Fragen im Rahmen des FWF-Projekts lauten: Ist es möglich, eine einzigartige Pollenansammlung in einem Raum zu erzeugen? Kann diese Pollenansammlung als Marker dienen, um zweifelsfrei festzustellen, ob eine bestimmte Person oder deren Schuhe im Zimmer waren?

Wie lange bleibt der Pollen am Schuh?

"Wir wollen auch herausfinden, wie lange der Pollen aus einer Wohnung am Schuh erhalten bleibt." Das Ergebnis kann für die Polizei, die immer wieder mit Bandenkriminalität konfrontiert ist, von Bedeutung sein: Meist können die Ermittler nur den, der sich mit dem Diebsgut hat erwischen lassen, dingfest machen und nachweisen, dass er am Tatort war. Doch die anderen? Die versuchen die WissenschafterInnen nun über den Pollen an deren Schuhen - hoffentlich aus der geplünderten Wohnung - zu erwischen.
Und was ist, Frau Professor, wenn die Diebe ihre Schuhe gründlich putzen? "Das macht nichts, wir finden immer Pollen, zumindest in den Rillen und Nähten."

Apropos Pollen finden: Dazu werden die Schuhe einfach gewaschen. Die Lösung kommt in eine Zentrifuge, Pollen und Sonstiges sammeln sich am Boden des Zentrifugenröhrchens an. Mittels eines speziellen Verfahrens, der Acetolyse, wird alles entfernt, was nicht Pollenwand ist. Dann werden die Proben mikroskopiert und die Pollenkörner identifiziert und gezählt.

Weber und ihr Team werden immer öfter zur Aufklärung von Kriminalfällen beigezogen. In den vergangenen Jahren wurde in dieser Hinsicht viel Informationsarbeit geleistet, um Polizei und Justiz auf die Möglichkeit der Forensischen Palynologie aufmerksam zu machen. Inzwischen ist das Interesse seitens der Kriminalpolizei sehr groß und vor allem mit den Tatortgruppen besteht eine sehr intensive und konstruktive Zusammenarbeit.

Das dreijährige FWF-Projekt "Forensische Palynologie: Pollenübertragung auf Schuhe" unter der Leitung von Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Martina Weber vom Department für Strukturelle und Funktionelle Botanik - ProjektmitarbeiterInnen sind Mag. Silvia Ulrich und Mag. Philipp Preusche - läuft seit Anfang Juni 2012.