Biodiversität in kleinen Bächen am höchsten

Der Limnologe Tom J. Battin und sein Team erforschen die mikrobielle Diversität in Fließgewässern. Er veröffentlichte nun, dass überraschenderweise die mikrobielle Diversität in den kleinsten Bächen am höchsten ist.

Wie Adern durchdringen Fließgewässer die Landschaft in dichten Netzwerken. Wie die Biodiversität von Tieren in solchen Netzwerken verteilt ist, ist Gegenstand intensiver Forschung an führenden Instituten weltweit. LimnologInnen an der Universität Wien ist es nun erstmals mit KollegInnen der University of Glasgow und der Ècole Polytechnique Fédérale Lausanne gelungen zu zeigen, wie sich die mikrobielle Biodiversität in solchen Bachnetzwerken verhält. Die ForscherInnen konzentrierten sich dabei auf Bakterien in Biofilmen, welche das mikrobielle Leben in Bächen und Flüssen dominieren.

Diversität von Bakterien in Biofilmen

Mittels hochauflösender Sequenziermethoden bestimmte Katharina Besemer die Diversität von Bakterien in Biofilmen aus über 100 Bächen. Gemeinsam mit Gabriel Singer konnte sie zeigen, dass die mikrobielle Diversität von den kleinsten Bächen zu den größeren Flüssen in Netzwerken abnimmt. Dieses Muster widerspricht gängigen ökologischen Theorien und jenen Mustern, die aus der Erforschung von wirbellosen Tieren und Fischen bekannt sind. Weiters konnten die ForscherInnen auch den überraschend großen Beitrag der kleinsten Bäche für die mikrobielle Biodiversität im gesamten Flussnetzwerk aufzeigen.

Plädoyer für den Erhalt von Biodiversität

Die Ergebnisse der Wiener LimnologInnen sind nicht nur richtungsweisend für die Ökologie und mikrobielle Ökologie, sondern auch ein Plädoyer für den Erhalt von Biodiversität und ökologischer Integrität von Bach- und Flussökosystemen. "Staustufen, Ausleitungen und Wasserüberleitungen für Wasserkraft unterbrechen zunehmend den natürlichen Wasserfluss und zerstören somit wesentliche Eigenschaften von intakten Bach- und Flussnetzwerken. Im schlimmsten Fall verschwinden sogar ganze Bäche und das Netzwerk wird dadurch unterbrochen", erklärt Tom J. Battin.

Biofilme stehen am Beginn der Nahrungskette

Die veröffentlichten Ergebnisse legen nahe, dass durch derartige Eingriffe die kleinen Bäche im Oberlauf – und dies sind die häufigsten in Bachnetzwerken – Biofilme flussabwärts nur mehr vermindert mit Biodiversität versorgen können. "Die Folgen davon sind noch nicht klar, können jedoch weitreichend sein. Biofilme sind nämlich wesentlich an der Selbstreinigung natürlicher Gewässer beteiligt und somit wichtige Garanten für sauberes Trinkwasser", so der Studienautor. Biofilme stehen am Beginn der Nahrungskette und sind damit für alle höheren Lebewesen bis zu Fischen und Wasservögeln von großer Bedeutung.

Die Arbeit der LimnologInnen der Universität Wien unterstreicht die Notwendigkeit, interdisziplinär in moderner Ökohydrologie zu arbeiten. Nur durch die innovative Verknüpfung von mikrobieller Ökologie mit neuen Konzepten in der Ökologie, aber auch mit Hydrologie und Geomorphologie gelingt es, die so wesentliche Frage der Verteilung mikrobieller Biodiversität in Bach- und Flussnetzwerken zu erforschen. (af)

Die Publikation "Headwaters are critical reservoirs of microbial diversity for fluvial networks" (AutorInnen: Katharina Besemer, Gabriel Singer, Christopher Quince, Enrico Bertuzzo, William Sloan und Tom J. Battin) erschien am 1. Oktober 2013 in "Proceedings of the Royal Society B".

Die Forschungsarbeit wurde durch das START-Programm des FWF finanziert und am Department für Limnologie und Ozeanographie sowie an der WasserCluster Lunz GmbH durchgeführt.