Biochemie: Vom Leben in der Zelle

In einem komplexen biomolekularen Zusammenspiel reguliert die RNA, was in der Zelle passiert – u.a. welche Gene in Proteine umgeschrieben oder gezielt abgeschaltet werden. Die "Maschinerie", die dabei am Werk ist, erforscht Lucia Aronica vom Department für Biochemie und Zellbiologie.

Gerade eben von der University of Southern California zurück und schon wieder im Labor ihrer Forschungsstätte – den Max. F. Perutz Laboratories – bzw. "im Dienste" der Forschungskommunikation: Die gebürtige Italienerin Lucia Aronica erzählt mit Begeisterung, womit sie sich in den vergangenen Monaten beschäftigt hat. Schizosaccharomyces pombe ist der Name ihres Forschungsgegenstands: Ein Hefepilz, der in der Molekular- und Zellbiologie als Modellorganismus gilt. Sein Genom wurde bereits 2002 vollständig entschlüsselt.


Dieser Artikel erschien im aktuellen Forschungsnewsletter der Universität Wien. Lesen Sie auch das Vorwort von Rektor Heinz W. Engl, den Artikel "Hardcore"-Grundlagenforschung zu Nitrifikation über die Forschung des ERC-Preisträgers Michael Wagner, die aktuellen Neuberufungen sowie Interviews mit allen DekanInnen und ZentrumsleiterInnen.




"Zuvor habe ich mit dem Einzeller Tetrahymena gearbeitet, ich finde es aber wichtig, sich immer wieder auf Neues einzulassen. An der USC habe ich mich nun mehrere Wochen lang im renommierten 'Forsburg Lab' mit der Spalthefe vertraut gemacht", erzählt Aronica, Gewinnerin des Famelab Austria 2009, einem Wettbewerb für Wissenschaftskommunikation.


S. pombe ist ein Hefepilz, der sich durch die Teilung der Zelle in zwei Hälften vermehrt. Die Spalthefe wurde aus ostafrikanischem Hirsebier isoliert – daher der Name "Pombe", das Swahili-Wort für Bier. (Foto: Wikpedia/David O Morgan)



Entdeckt hat die Biochemikerin dabei, dass in diesem Einzeller das Gen Nrl1 existiert, dessen Funktion in einem anderen Organismus, dem Wurm C. elegans, bereits gut erforscht ist. Dort spielt es eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Genexpression– jenem Prozess, in dem die Information der DNA in den Phänotyp, also die Merkmale eines Lebewesens, umgesetzt wird – und ist damit für einen gesunden Organismus mitverantwortlich. Ein zu Nrl1 "orthologes" Gen, d.h. ein Gen gemeinsamer Abstammung, findet man auch in Pflanzen und Menschen.

Abschalten und Stilllegen


Genregulation bedeutet, dass nicht jede Erbinformation im Lebewesen "umgesetzt" wird. So ist beispielsweise die RNA-Interferenz (RNA-I) eine Funktion, durch die einzelne Gene abgeschaltet oder sogar ganze DNA-Abschnitte stillgelegt werden können. Dabei spielen auch Enzymkomplexe, die im Prozess der "RNA-Polymerase" die Synthese der RNA katalysieren, eine wichtige Rolle. Ob nun bei diesen Vorgängen das Gen "Nrl1" im Hefepilz ähnlich bedeutend ist wie im Organismus des Wurms, erforscht die Wissenschafterin im Rahmen des Hertha-Firnberg-Stipendiums des FWF.

Veränderte Morphologie

Dazu hat die Biochemikerin im Labor Zellen kreiert, die das Gen Nrl1 nicht enthalten, und dann beobachtet, wie sich diese vom unveränderten "Wildtyp" unterscheiden. Entgegen ihren Erwartungen ist das Gen nicht an der RNA-Interferenz, d.h. am gezielten Abschalten von Genen, beteiligt. Eine Veränderung springt aber ins Auge: "Fehlt Nrl1, so verändert sich auch die Zelle – sie ist bedeutend länger als die ursprüngliche.


Ist das Gen NRL1 nicht vorhanden, verändert sich der Zelle – sie ist länger als der Wildtyp. (Foto: Lucia Aronica)



Dieser Phänotyp könnte durch einen Defekt im Zellzyklus, Geninstabilität oder einem Schaden an der DNA entstanden sein", so die Biochemikerin: "Das Gen dürfte daher sehr wohl bedeutend sein, wenn auch auf andere Art und Weise als erwartet." Neue Erkenntnisse darüber, wie diese Regulationen ablaufen, sind nicht nur für die Grundlagenforschung bedeutend, sondern können in der Folge auch zu bahnbrechenden Erfolgen in der Medizin beitragen – z.B. bei der Behandlung von Virusinfektionen oder Krebs.


Bei Famelab stehen die TeilnehmerInnen vor der Herausforderung, die eigene Forschung auf einer Bühne ohne Hilfsmittel wie PowerPoint oder ähnliches innerhalb von fünf Minuten spannend zu präsentieren. Lucia Aronica gewann Famelab Austria im Jahr 2009 mit ihrem Beitrag zur RNA-Interferenz. Zum Nachschauen auf YouTube



Aronica engagiert sich intensiv für den Dialog zwischen Naturwissenschaften, Philosophie und Kunst. "Ich habe ein humanistisches Gymnasium besucht und mich mit 'dem Menschen' aus philosophischer und künstlerischer Perspektive beschäftigt. Seit meinem Studium ist ein weiterer Blickwinkel dazugekommen: die Naturwissenschaften. Die Kommunikation zwischen diesen Bereichen und mit der Öffentlichkeit hat für mich einen hohen Stellenwert." (dh)

Mag. Lucia Aronica, PhD forscht im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programms des FWF zum Thema "Charakterisierung vom Nrl1 Protein in S. pombe: ein Link zwischen RNAi und Pol II?". Das Projekt läuft von 1. Oktober 2011 bis 30. September 2014.