Anthropozän: Das neue Erdzeitalter

WissenschafterInnen haben das "Anthropozän" – das Zeitalter der menschlichen Einflussnahme – ausgerufen. Ronald Pöppl, Geograph an der Universität Wien, zeigt im Rahmen einer aktuellen Konferenz auf, wie die Menschen mit flussbaulichen Maßnahmen und Änderungen der Vegetationsbedeckung Einfluss nehmen.

Die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die geologischen, biologischen und atmosphärischen Prozesse haben insbesondere seit Beginn der Industrialisierung enorme Ausmaße angenommen. WissenschafterInnen haben deshalb das Zeitalter des "Anthropozäns" ausgerufen.

Im Rahmen der derzeit in Wien stattfindenden Konferenz der "European Geosciences Union" liefert Ronald Pöppl, Senior Lecturer am Institut für Geographie und Regionalforschungvon der Universität Wien, einen Beitrag zum geomorphologischen Erbe von Staudämmen. Der Geograph zeigt anhand von Beispielen aus Niederösterreich auf, wie sehr die Menschheit mit flussbaulichen Maßnahmen und durch Veränderung der Vegetationsbedeckung das Erdrelief verändert.

Der Mensch "modelliert" die Erdoberfläche

Die noch relativ junge Disziplin der Anthropogeomorphologie ist ein Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe Geomorphologische Systeme und Risikoforschung (ENGAGE) am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. "Der Mensch verändert durch sein Handeln unmittelbar die Reliefsphäre der Erde, wie beispielsweise durch den Abbau von Rohstoffen oder die Errichtung von Bauwerken. Aber auch indirekt tut er dies, u.a. durch Manipulation der Vegetationsbedeckung, was wiederum eine Veränderung der geomorphologischen Prozesse in Form von Erosion, Transport und Ablagerung von Sediment zur Folge hat. In Summe ändert sich das Erdrelief", so Ronald Pöppl, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe ENGAGE.

Wie der Mensch die Erdoberfläche "modelliert", ist u.a. auch Thema der alljährlich in Wien stattfindenden "European Geosciences Union General Assembly", der größten wissenschaftlichen Konferenz  für GeowissenschafterInnen im europäischen Raum. Sie steht heuer unter dem Motto "The Face of the Earth – Process and Form".

Fallbeispiel Kajabach, Niederösterreich

Durch die Errichtung von Staudämmen greift der Mensch in den Sedimenthaushalt der Fließgewässer ein. Dadurch werden Prozesse induziert, die eine Veränderung der Gewässermorphologie und somit des Erdreliefs zur Folge haben. Neben Sedimentakkumulation in den Staubereichen und einer daraus resultierenden Verlandung dieser Gewässerabschnitte findet in den Damm-abwärtigen Flussabschnitten aufgrund von Sedimentmangel so genannte "Klarwassererosion" statt. Diese führt zu einer Eintiefung der Gewässersohle sowie zum Austrag von leicht mobilisierbarem Sediment.


Das Erdrelief entlang einer Serie von Staudämmen am Kajabach in Niederösterreich: Die Dämme 1 bis 3 wurden entfernt, Damm 4 ist aktiv. Die Gerinneverbauungen in den Gewässerabschnitten aufwärts der ersten zwei Dämme verhindern Erosionsprozesse und dadurch auch eine Wiederherstellung des ursprünglichen gewässermorphologischen Zustandes sowie der ökologischen Rahmenbedingungen. (Foto: R. Pöppl)



Solche Damm-induzierten Veränderungen implizieren eine ganze Reihe von negativen Konsequenzen für Mensch und Umwelt. Damm-abwärtige Sohl- und Ufererosion kann beispielsweise zur Zerstörung von Verkehrsinfrastruktur führen (z.B. durch Unterspülung von Verkehrswegen) sowie kommt es zu einer Beeinträchtigung limnischer Habitate (z.B. Mangel an geeigneten Laichgründen regionsspezifischer Fischarten). Diese Umstände haben u.a. dazu geführt, dass Dämme zunehmend rückgebaut bzw. entfernt werden. Auch dieser Eingriff bleibt nicht ohne Konsequenzen, wiederum kommt es zu geomorphologischen Veränderungen, z.B. entsteht Erosion in den Damm-aufwärtigen Gerinneabschnitten bis zur Wiederherstellung eines Ausgleichsgefälles.

Diesen – potenziell wiederum negativen – geomorphologischen Veränderungen versucht man oftmals mittels Gerinneverbauungen entgegenzuwirken. Leider wird dadurch auch die Wiederherstellung des ursprünglichen gewässermorphologischen Zustandes sowie der ökologischen Rahmenbedingungen weitestgehend verhindert. "Durch diese Gerinneverbauungen wird also ein durch die Errichtung von Staudämmen – sprich aus Menschenhand – entstandenes Erdrelief gewissermaßen konserviert bzw. vererbt", so Ronald Pöppl. "Dieses Phänomen zeigt sich auch am Beispiel des von mir untersuchten Kajabaches, einem kleinen Zubringer der Thaya im nördlichen Niederösterreich."

Fallbeispiele Lassingbach und Fugnitz, Niederösterreich


Die Uferböschung entlang des Lassingbaches in Niederösterreich im Jahr 2013. In der rechten Bildhälfte ist die durch das Fehlen von stabilisierender Gehölzvegetation bedingte starke Ufererosion zu erkennen. (Foto: D. Frankl)



Die Art der Ufervegetation hat einen erheblichen Einfluss auf den Sedimenthaushalt sowie die Morphologie unserer Fließgewässer. Die Wurzeln von Gehölzpflanzen beispielsweise stabilisieren die Flussufer und verringern damit die natürliche Ufererosion. Werden jedoch im Zuge landschaftlicher Eingriffe des Menschen Ufergehölze entfernt, kommt es zu einem verstärkten Abtrag sowie einer damit einhergehenden Rückversetzung der Flussufer, wie am Beispiel des Lassingbaches im südlichen Niederösterreich deutlich wird.

"Darüber hinaus tragen Wurzeln von Gehölzpflanzen zur Bildung von natürlichen Uferwällen bei, welche den Eintrag von Feinsediment und assoziierten Schadstoffen aus angrenzenden ackerbaulichen Nutzflächen in unsere Fließgewässer verringern", erklärt Ronald Pöppl. Er konnte dies am Beispiel der Fugnitz, einem Zubringer der Thaya im nördlichen Niederösterreich, aufzeigen. (vs)

Die Konferenz der "European Geosciences Union" (EGU) findet im Austria Center Vienna (ACV) vom 27. April bis 2. Mai 2014 statt. Informationen