Als Niederösterreich in den Tropen lag

In einem kürzlich abgeschlossenen Kooperationsprojekt zwischen der Universität Wien und der OMV Exploration & Production GmbH wurden die Kreidegesteine ("Gosauschichten") der Kalkalpen untersucht. Nun wird das Projekt im Rahmen des Internationalen Geowissenschaftlichen Programms der UNESCO unter dem Titel "Rapid Environmental/Climate Change in the Cretaceous Greenhouse World: Ocean-Land Interactions" fortgeführt. Untersucht werden Auswirkungen von Klimazyklen und Meeresspiegelschwankungen auf die kreidezeitliche Umwelt im südlichen Niederösterreich. Schon jetzt steht fest: Vor 80 Mio. Jahren war dieses Gebiet tropisch.

Im südlichen Niederösterreich bei Maiersdorf an der Hohen Wand – der sogenannten "Neuen Welt" – finden sich kohleführende Ablagerungsgesteine aus der Kreidezeit. Michael Wagreich und sein Team vom Department für Geodynamik und Sedimentologie untersuchen die 80 Millionen Jahre alten Kohleschichten auf Bildungsbedingungen und Umweltänderungen während der Ablagerungszeit.

Tropisches Klima in Niederösterreich

Damals befand sich das Gebiet auf ca. 30 Grad nördlicher Breite, in einem randlichen (küstennahen) Meeresbereich des Tethys-Ozeans, und es herrschte dort ein tropisch-subtropisches Treibhausklima. "Meeresablagerungen wechselten sich mit Landablagerungen ab", erklärt Wagreich: "Zyklische Klimaänderungen bewirkten Meeresspiegelschwankungen in der Größenordnung von mehreren Metern."

In randlichen Sümpfen und Feuchtgebieten fand eine subtropische Flora ideale Bedingungen vor, u.a. wuchsen hier Palmen, Palmfarne sowie Schraubenbaum- und Magnoliengewächse ("Grünbach Flora") – Pflanzen, die auf ein frostfreies Klima mit heißen, feuchten Sommern und kurzen, relativ trockenen Wintern schließen lassen. "In diesen Sumpfgebieten wurden im Laufe von Jahrmillionen durch Meeresüberflutungen und Trockenfallen Sedimentabfolgen abgelagert. Hier wechseln sich Kohleflöze mit Schichten aus Ton, Sandstein und Konglomerat – einem zum Großteil aus Kies oder Geröll bestehenden Sedimentgestein – ab", beschreibt der Projektleiter.

Mit dem Bagger in die Vergangenheit

Nun sind die kohleführenden Gesteine im Untersuchungsgebiet nahezu komplett durch Vegetation und Schutt bedeckt und können daher nicht an der Oberfläche untersucht werden – auch die bis 1965 bestehenden Kohlebergwerke sind nicht mehr zugänglich. "Daher haben wir Ende April 2011 mit Hilfe eines Baggers an mehreren Stellen insgesamt 128 Meter lange und bis zu vier Meter tiefe Untersuchungsgräben – sogenannte Schurfgräben – angelegt", erzählt Wagreich: "Nur dadurch konnten die Schichten genau untersucht, eingemessen sowie zentimeterweise beprobt werden."

Die Arbeiten wurden mit freundlicher Genehmigung der GrundbesitzerInnen (Agrargenossenschaft Maiersdorf) und dem Land Niederösterreich (Abteilung Naturschutz und NÖ Umweltanwaltschaft) durchgeführt. Nach der Beprobung wurden die Schurfgräben sofort wieder zugeschüttet sowie die Boden- und Vegetationsbedeckung wiederhergestellt.

Meeresspiegelanstieg vor 80 Millionen Jahren

Die Proben bestätigen, was schon die Ergebnisse von Gesteinsanalysen aus einem ersten Schurfgraben aus dem Vorjahr vermuten ließen: "Wir haben es hier mit stark wechselnden Ablagerungsbedingungen zu tun." Geochemische Untersuchungen zeigen Anreicherungen von Elementen wie etwa Bor – die eher marine Ablagerungen anzeigen –, welche mit eher terrestrischen, kohle- und pflanzenführenden Schichten "wechsellagern": "Eine Lage mit Einzelkorallen direkt über Kalken mit Süßwasseralgen zeigt dabei den extrem raschen Wechsel von nicht-marinen zu marinen Ablagerungen, möglicherweise die Folge eines plötzlichen Meeresspiegelanstiegs vor zirka 80 Millionen Jahren", erklärt Projektmitarbeiter Erich Draganits.

Altersbestimmung mit Plankton

Ein spezielles Problem, das mit den Proben aus den Schurfgräben geklärt werden soll, ist das genaue Alter der Sedimente. "Die kohleführenden Tone und Sandsteine, die wir in Maiersdorf untersuchen, eignen sich nur bedingt für eine absolute Datierung" berichtet Michael Wagreich. "Wir sind bei der Altersbestimmung auf Mikrofossilien und Nannofossilien angewiesen." Dabei handelt es sich um mikroskopisch kleine Planktonreste, die aus den Tonschichten im Labor gewonnen und anschließend mit Hilfe eines Mikroskops und eines Rasterelektronen-Mikroskops bestimmt werden, und die typisch für bestimmte Zeitabschnitte sind.

Zusätzlich lieferten Strontium-Isotopendaten einen ersten Hinweis auf das Alter der Gesteine: "Wir konnten damit den Sedimentationsbeginn dieser Ablagerungen auf 83,5 Millionen Jahre einengen – den Beginn des Zeitalters Campanium, also die Späte Kreidezeit." (red)