3D-Modelle als Erfolgsrezept

Am Department für Medizinische/Pharmazeutische Chemie versucht man, Transport-Proteine im Gehirn zu entschlüsseln – mit Hilfe von 3D-Computermodellen. Beim Serotonin-Transporter gab es unlängst schöne Erfolge, und auch die Forschung am GABA-Transporter verläuft vielversprechend.

Wenn Andreas Jurik über seine Forschung spricht, fallen durchaus geläufige Begriffe wie Botenstoffe im Gehirn, Serotonin oder Amphetamine. Jurik, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Gerhard Ecker, dem stellvertretenden Leiter des Departments für Medizinische/Pharmazeutische Chemie der Universität Wien, hat sich ganz der Erforschung von Transport-Proteinen im Hirn verschrieben. Das Problem dabei: Mit "direkt im Mikroskop anschauen" ist da nichts. "Daher muss man indirekt arbeiten", erzählt der studierte Pharmazeut, der Grundlagen und Wirkungen von Transport-Proteinen im Gehirn mit Hilfe von 3D-Modellen auf die Schliche kommen will.
Jetzt ist ihm mit einer Studie über den Serotonin-Transporter ein überraschender Erfolg gelungen. Unerwartet deshalb, weil die Erkenntnisse nur ein Nebenprodukt des eigentlichen Diplomarbeitsthemas von Andreas Jurik sind.

Doch der Reihe nach: Amphetamine machen süchtig, werden immer beliebter, sind illegal; doch wie sie wirken, ist weitgehend unbekannt. So viel ist sicher: Der Serotonin-Transporter (überträgt Botenstoffe im Gehirn) spielt eine tragende Rolle dabei. Über diesen Mechanismus wird unsere Stimmung geregelt, und er ist deshalb so wichtig, weil er gehemmt werden kann. "Und diese Hemmer verwenden wir als Antidepressiva", erklärt Gerhard Ecker. "Daher ist es unerlässlich zu wissen, wie er an- und abgeschaltet wird."



 

 


Andreas Jurik, Teilnehmer am Doktoratskolleg "Molecular Drug Targets" und Doktorand in der Arbeitsgruppe von Gerhard Ecker, dem stellvertretenden Leiter des Departments für Medizinische/Pharmazeutische Chemie der Universität Wien, hat sich ganz der Erforschung von Transport-Proteinen im Hirn verschrieben.



Verbesserte Experimente


"Was beim Serotonin-Transporter besonders spannend ist: Amphetamine wirken dort", wirft Jurik ein. Er muss es wissen, war er es doch, der am Computer ein Modell des Serotonin-Transporters erstellt und analysiert hat. Nun kann die Forschungsgruppe der MedUni Wien, der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien und der Vanderbilt Universität in Nashville (USA) behaupten, dass Amphetamine ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn die Zellmembranen die Serotonin-Transporter mit dem Membranlipid PIP2 gut "schmieren". Das Verdienst des Teams um Gerhard Ecker war es, jene Bereiche bestehend aus drei Aminosäuren zu identifizieren, an denen PIP2 binden könnte. Harald Sitte von der MedUni Wien macht auf Basis der Vorschläge der Computer-Animation des Departments für Medizinische/Pharmazeutische Chemie seine Experimente. "Man musste dann statt 100 Stellen nur noch drei anschauen", sagt Ecker.

So könnte man versuchen, Amphetamin-Abhängigen zu helfen, indem man im Entzug Nebenwirkungen herabsetzt. Man könnte an die Entwicklung von Arzneistoffen denken, die gezielt die Wirkung des Amphetamins aufheben, aber den Transporter und seine Aufgabe als Stimmungsregulator unberührt lassen. Aber, ergänzt Ecker: "Wir denken grundsätzlich nicht in Arzneistoff-Entwicklung. Wir wollen verstehen."  


Forschungsvision

Damit sind wir wieder bei Juriks eigentlichem Forschungsgebiet: Er beschäftigt sich im Rahmen mit dem GABA-Transporter, einem anderen Neurotransporter, weniger populär als der Serotonin-Transporter, dafür viel komplizierter und nebenwirkungsbehafteter. GABA-Hemmer werden derzeit als Anti-Epilektikum eingesetzt. Auch bei Depressionen, Schizophrenie und – laut ganz neuen Untersuchungen – nach Schlaganfällen überlegt man, sie anzuwenden.



 

Andreas Jurik hat am Computer ein 3D-Modell eines GABA-Transporters erstellt.



3D-Modell eines GABA-Transporters


Warum man nur überlegt: "Die Tatsache, dass es vier sehr ähnliche GABA-Hemmer gibt, die in ganz unterschiedlichen Gehirnregionen in unterschiedlichen Konzentrationen vorhanden sind, machte es ungeheuer kompliziert. Es ist wahnsinnig schwer, jene feinen Unterschiede herauszufinden, die es uns ermöglichen würden, Substanzen zu designen, sodass sie nur den einen hemmen, den anderen aber nicht", sagt sogar der Betreuer Ecker. Wie kompliziert alles sei, "zeigt sich auch daran, dass man in der Epilepsie nur einen einzigen GABA-Arzneistoff hat und den nur dann anwendet, wenn andere nicht helfen". Viel Forschungsbedarf also. Und diese Grundlagen versucht Andreas Jurik derzeit zu erarbeiten.


Die Studie "Amphetamine actions at the serotonin transporter rely on the availability of phosphatidylinositol-4,5-bisphosphate" erschien im Journal "PNAS". Die Forschungen sind auch Teil eines FWF-Spezialforschungsbereichs (SFB). In den beteiligten Arbeitsgruppen sind JungwissenschafterInnen – wie eben Andreas Jurik – beschäftigt, die im Doktoratskolleg "Molecular Drug Targets" ihr PhD-Studium absolvieren.