Neuling an Bord

Seit nunmehr zwölf Tagen führen die MeeresbiologInnen, die unter der Leitung von Gerhard J. Herndl an einer Forschungsfahrt in den Atlantik teilnehmen, via Satellitenverbindung Logbuch über ihren Alltag auf hoher See. Simone Muck, Dissertantin am Department für Meeresbiologie, ist zum ersten Mal mit an Bord. Wie es ihr als "Neuling auf der Pelagia" ergeht, beschreibt sie in folgendem Blogbeitrag.

Mittwoch, 21. Oktober 2010:

Bereits zu Beginn meiner Dissertation in Gerhard J. Herndls Arbeitsgruppe am Department für Meeresbiologie bekam ich von meinen neuen KollegInnen die abenteuerlichsten Geschichten von den unterschiedlichsten Forschungsfahrten mit der Pelagia aufgetischt:

"Es ist so anstrengend, dass man sogar während der Arbeit einschläft, weil man nicht genügend Schlaf bekommt!"

"Die Pelagia ist so schlecht stabilisiert, dass man bereits beim geringsten Wellengang seekrank wird!"
Des Öfteren hätten Kollegen eine Besprechung im Meeting Room aufgrund von Übelkeit frühzeitig verlassen müssen, da es dort oben besonders stark schwanke.

"Das Essen ist so schlecht, dass ich in sechs Wochen vier Kilogramm abgenommen habe!"
Auf meine Frage, was ich auf jeden Fall mit auf die Pelagia nehmen sollte, lautete die Antwort stets: "Süßigkeiten, um nicht zu verhungern!"

Aufgeregt, aber doch mit einem etwas mulmigen Gefühl, was mich denn da bloß erwarten wird, ging ich schließlich vor elf Tagen endlich an Bord der Pelagia, um als "Greenhorn" für vier Wochen über den (sub)tropischen Atlantik zu fahren. Und ich freue mich, berichten zu können, dass (zumindest bisher) keines der befürchteten Szenarios eingetreten ist!


Simone Muck nimmt zum ersten Mal an einer Forschungsfahrt mit der Pelagia teil - Gerhard J. Herndl und seine Arbeitsgruppe sind, wenn alles klappt, mindestens einmal pro Jahr auf hoher See. Ein Monat Probennahme versorgt das ganze Team mit Auswertungs- und Publikationsarbeit für ein ganzes Jahr. Diesmal sind insgesamt 27 Personen an Bord - 16 WissenschafterInnen (bzw. LaborassistentInnen) und elf Crew-Mitglieder (Kapitän, 1. und 2. Offizier, 1. und 2. Maschinist, Koch, Steward, vier Schiffsgesellen). Foto: Alexander Bochdansky

Die Arbeit ist hart, aber mittlerweile durch die tägliche Routine leicht erledigt. Adam, Christian und ich haben als "Virus-People" einen besonderen Arbeitsplatz: In einem auf 12°C herunter gekühlten Nass-Container filtrieren wir Meereswasser aus bis zu 5.400m Tiefe und stellen daraus Bakterienkonzentrate her. Diese versetzen wir mit Mitomycin C, welches die Lyse von infizierten Bakterienzellen und somit die Freisetzung der Viren bewirkt. Die Proben werden bei 2°C inkubiert, und alle vier Stunden entnehme ich 2ml, fixiere und friere sie in flüssigem Stickstoff ein, um in Wien mit einem High-Tech Gerät die Bakterien und Viren auseinander zu sortieren, zu zählen und näher zu untersuchen. Am schwersten fällt mir das Aufstehen in der Nacht, meist um 2 oder 4 Uhr in der Früh, wenn alle anderen noch tief schlafen und ich aus dem warmen Bett hinaus in den kalten Container  muss …

Was das Essen betrifft: Selten habe ich so gut und viel gegessen wie hier auf dem Schiff! Roastbeef, Grillhuhn, Lachs, Garnelen mit allen Varianten von Beilagen, mit viel Liebe ins Detail gekocht wie auch garniert - und das drei Mal täglich! Wir stöhnen bei jedem Essens-Gong auf und halten uns noch die Bäuche vom vorigen Mahl, wenn wir die Messe (Speise- und Aufenthaltsraum der Schiffsbesatzung, Anm.) betreten - also kein Anzeichen von Verhungern!

Die Pelagia kränkelt zwar sehr gerne, aber es ist längst nicht so schlimm wie prophezeit. In den ersten Tagen, als wir die Kanarischen Inseln verließen, war die Dünung drei bis vier Meter hoch, und wir wussten nicht recht, was wir eher festhalten sollten: uns selbst am Tisch, die Ständer mit den Wasserproben, die auf der Laborbank von uns weg oder das Essen, das uns entgegen rutschte? Zum Glück konnten wir die Schräglage alle mit Humor nehmen, keiner von uns wurde (zumindest bisher) seekrank.


Abendstimmung ...


... am Forschungsschiff Pelagia. Fotos: Simone Muck

Und wer findet es nicht schön, am Ende eines langen, anstrengenden Arbeitstags sanft von den Wellen in den Schlaf geschaukelt zu werden - um so wie ich, nur wenige Stunden später, in den kalten Container zurück zu stapfen, um sich wieder seinen Bakterien und Viren zu widmen …

Mag. Simone Muck ist Dissertantin in der Forschungsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Gerhard Herndl am Department für Meeresbiologie und nimmt zurzeit an der Forschungsreise in den Atlantik im Rahmen des EU-Projekts MOCA teil.