Die ersten Tage auf der Pelagia

Am vergangenen Freitag flog das Team des Departments für Meeresbiologie unter der Leitung von Gerhard J. Herndl über Madrid nach Las Palmas auf den Kanaren, um sich dort spätabends auf dem Forschungsschiff Pelagia "einzuschiffen". Schon kurz nach dem Auslaufen am Samstagabend sorgte ein Sturm für Aufregung. Mit welchen Schwierigkeiten die Crew noch zu kämpfen hatte - und wie diese schnell bewältigt wurden - lesen Sie hier im Bericht der ForscherInnen über die ersten Tage auf der Pelagia.

Samstag, 9. Oktober 2010:

Nach ausgiebigem Frühstück ging es am Samstagmorgen ans Auspacken und Aufbauen der Instrumente in den beiden Labors des Schiffes bzw. in den Laborcontainern. Das Schiff ist so konzipiert, dass insgesamt neun Laborcontainer untergebracht werden können - alle klimatisiert.


Hier wird gerade ein Laborcontainer eingerichtet, um die Konzentrationen von Viren sowie die lytische und lysogene Produktion von Viren in der Tiefsee zu messen. (Foto: Alexander B. Bochdansky)

Der Aufbau ging im ruhigen Hafenwasser zügig voran, obwohl die Arbeitsgeräte und alle Dinge, die in einem Labor sonst gelegentlich auf den Tischen herumliegen, auf einem Schiff sorgfältig verstaut werden müssen. (Warum das wichtig ist, haben wir wenig später am eigenen Leib erfahren: Schlechtwetter nördlich der Kanarischen Inseln bewirkte ein kräftiges Schlingern des Schiffes - und eine nochmalige Kontrolle unsererseits, ob auch alle Arbeitsplätze aufgeräumt und die Instrumente auf den Laborbänken gut festgezurrt waren.)
Nachdem genügend Proviant, um die insgesamt 32 Personen an Bord vier Wochen lang zu versorgen, auf dem Schiff verstaut war, konnten wir samstagabends gegen 17 Uhr den Hafen von Las Palmas verlassen.

Sonntag, 10. Oktober:

Am Sonntag wurde dann das Sammelsystem für die Wasserproben getestet und alle Arbeitsschritte der einzelnen TeilnehmerInnen der Forschungsfahrt erprobt. Dabei stellte sich heraus, dass einige der Instrumente nicht so einwandfrei funktionierten wie noch vor dem Einpacken in Wien! Aber solche kleinen Probleme können in der Regel auf einem gut ausgestatteten Forschungsschiff wie der Pelagia rasch behoben werden - gibt es doch für alle erdenklichen Schwierigkeiten Spezialisten an Bord. So war es etwa für den Elektrotechniker der Crew ein Leichtes, ein Fluorometer wieder in Gang zu bringen. Auch einige Messsonden, die bei dem Test am Sonntagmorgen noch nicht funktionierten, waren bis am Abend bereits wieder repariert und einsatzfähig.

Am Montagmorgen werden wir dann unsere erste Messstation "besammeln" - d.h. Wasserproben nehmen -, und zwar im sogenannten Nordatlantischen Gyren-System, einem Oberflächenwasserstrom, der sich im Uhrzeigersinn dreht und von ca. 40° N bis 10° N erstreckt. Die Oberflächenwassermassen der Gyren sind charakterisiert durch geringe biologische Aktivitäten. Das pflanzliche Plankton hier wäre noch ärmer an Nährstoffen, wenn nicht Saharastaub Eisen in das Wasser eintragen würde. Das ermöglicht es in dieser Region, dass Bakterien in den Oberflächenwassermassen atmosphärischen Stickstoff fixieren können.


Die Messsonden und die Sammelsysteme werden einsatzbereit gemacht, um Wasserproben aus bis zu 7.500m Tiefe an Bord zu holen. Einige dieser speziellen Sammelgefäße ermöglichen es auch, die Stoffwechselraten der Mikroorganismen unter den in den jeweiligen Tiefen herrschenden Druckbedingungen zu messen. In 7.000m Tiefe herrscht ein Druck von ca. 700 bar. Im Bild links: der Fahrtleiter der Expedition, Gerhard J. Herndl. Rechts: Ruud Groenewegen, ein Elektronikspezialist vom Netherlands Institute for Sea Research, dem Institut, das auch Eigner des Forschungsschiffs Pelagia ist.

Unter den Oberflächengewässern findet sich eine ausgeprägte Zone von geringen Sauerstoffkonzentrationen, die bis in ca. 800m Tiefe reicht. Darunter nimmt die Sauerstoffkonzentration in den Wassermassen wieder zu, wie etwa im Nordatlantischen Tiefenwasser und dem unterhalb von 3.500m Tiefe vorkommenden Antarktischen Tiefenwasser. Letzteres wird, wie der Name sagt, in den Gewässern rund um die Antarktis gebildet, um dann knapp über dem Boden nach Norden zu fließen. Dieses Antarktische Bodenwasser füllt alle Tiefseebecken des Atlantiks.

Die komplexen Strömungsmuster im Atlantik und die Produktionsverhältnisse in seinem Oberflächengewässer wurden in den letzten Jahrzehnten ausgiebig erforscht. Diese früheren Untersuchungen, wo die grundlegenden physikalischen, chemischen und biologischen Parameter erhoben wurden, sind heute von unschätzbarem Wert - gilt es doch, die gegenwärtig stattfindenden Änderungen, die wir unter dem Wort  ‘global change’ zusammenfassen, zu dokumentieren und Prognosen für die zukünftige Entwicklung des Atlantiks zu erstellen. In den Tiefen des Atlantiks finden wir die Folgen menschlicher Aktivitäten, wie das Verbrennen von fossilen Brennstoffen, mit einer Intensität, wie wir sie in sonst keinem anderen Meer finden.

Montag, 11. Oktober 2010

Neben dem Erheben von umweltrelevanten Daten in den Tiefen des atlantischen Ozeans interessiert uns vor allem die Rolle der Tiefsee-Mikroben in den biogeochemischen Kreisläufen des Atlantiks. Diese einzelligen Bakterien und Archaea und deren Aktivitäten unter natürlichen Druckbedingungen zu untersuchen, ist die ganz große Herausforderung unserer Forschungsfahrt. Dafür haben wir mit einem Team von Technikern Sammelgefäße entwickelt, die den Druckbedingungen von 700 bar, wie wir sie in 7.000m Tiefe vorfinden, standhalten.


Hier werden gerade die Filtrationen aufgebaut, an denen die Mikroorganismen aufgebracht werden. Später, in den Labors am Department für Meeresbiologie sowie in Zusammenarbeit mit Christa Schleper auch am Department für Ökogenetik - werden dann die molekularbiologischen Analysen durchgeführt, um die Tiefsee-Bakteriengemeinschaften der unterschiedlichen Tiefwassermassen zu untersuchen. (Foto: Alexander B. Bochdansky)

Die Druckkammern haben wir heute in das Sammelsystem eingespannt, versenkt und in 4.000m Tiefe geschlossen. Wieder an Bord, werden sie nun noch für weitere 24 Stunden inkubiert. Danach hoffen wir, einen ersten Eindruck davon zu bekommen, welchen Einfluss der hohe hydrostatische Druck in der Tiefsee auf diese Mikroorganismen und somit auf den Kreislauf wichtiger Elemente im Meer hat. Gespannt warten wir, ob die Sammelsysteme auch wie geplant funktionieren, und welche Resultate sie hervorbringen werden. Aber mehr dazu beim nächsten Mal!

Lesen Sie mehr über die Hintergründe der Forschungsfahrt im Artikel "Schiff ahoi für die Wissenschaft!". Im Dossier "Schiffsmeldungen" halten uns die ForscherInnen via Satellitenverbindung über ihren Arbeitsalltag auf der Pelagia auf dem Laufenden.

Das dreijährige EU-Projekt "MOCA: Microbial Oceanography of Chemolitho-Autotrophic planktonic communities" wird von Univ.-Prof. Dr. Gerhard Herndl vom Department für Meeresbiologie geleitet und startete im April 2010. Projektpartner sind Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr. Christa Schleper vom Department für Ökogenetik sowie Prof. Dr. Klaus Jürgens vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (D), Prof. Dr.  Jarone Pinhassi von der Universität Kalmar (SE) sowie Prof. Dr.  Jose Gonzales von der Universidad de La Laguna (ES). Das Projekt wird im ESF-Eurocores Programm "Ecological and evolutionary functional genomics" (EuroEEFG) finanziert.