Wie unsere Körperzellen gegen Viren kämpfen

Protein versperrt Zugang zum Zellkern, um Erbgut zu schützen

MolekularbiologInnen der Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien zeigen in Zusammenarbeit mit Kollegen von der ETH Zürich, wie das Eindringen doppelsträngiger RNA wie beispielsweise viralen Erbgutes in den Zellkern verhindert wird. Während der Immunantwort auf eine Virusinfektion wandert das körpereigene Protein ADAR1 aus dem Kern ins Zytoplasma der Zelle, wo es die Virus-RNA so verändert, dass sich damit keine neuen Viren bilden können. Wie dabei jedoch verhindert wird, dass ADAR1 die virale RNA in den Zellkern bringt – wichtig für den Schutz des menschlichen Erbguts – war bisher völlig unklar. In ihrer Studie in PNAS Plus geben die Wiener und Züricher WissenschaftlerInnen eine erste Antwort auf diese Frage.

Das menschliche Immunsystem und die Abwehr von Keimen
Der Mensch wird ständig von Bakterien und Viren angegriffen. Mit dem Immunsystem hat der Körper jedoch eine Reihe von Abwehrmechanismen geschaffen, die helfen, solche Angreifer abzuwehren und zu bekämpfen. Viren sind kleine Partikel, die außerhalb einer Wirtszelle nicht lebensfähig sind. Dringen sie in unseren Körper ein, geben sie ihr genetisches Material in unsere Zellen ab um sich zu vermehren. Genau hier greift einer der körpereigenen Abwehrmechanismen an: das Erbgut des Virus wird durch zelluläre Enzyme chemisch so verändert, dass keine neuen lebensfähigen Viren gebildet werden können.

ADAR1 – eine Waffe des Immunsystems gegen Viren
ADAR1 ist eines der Enzyme der antiviralen Immunantwort. Normalerweise hält es sich im Kern der Zelle auf. Wird jedoch virale doppelsträngige RNA im Zytoplasma der Zelle entdeckt, wandert ADAR1 ins Zytoplasma, wo es die virale RNA bindet und chemisch modifiziert, sodass sie für das Virus und des Vermehrung unbrauchbar wird. Wie wird jedoch verhindert, dass ADAR1 die gebundene virale RNA mit in den Zellkern nimmt? Dort befindet sich schließlich das menschliche Erbgut, welches es zu schützen gilt. Dieser Frage gingen nun die Teams von Michael Jantsch an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und Frédéric Allain von der ETH Zürich nach.

Dabei stellte sich heraus, dass ADAR1 zwei Module verbindet, welche den Kerntransport regulieren. Durch zellbiologische Untersuchungen konnten die Wiener WissenschaftlerInnen um Michael Jantsch wiederum zeigen, dass ein Transport von ADAR1 in den Kern nur möglich ist, wenn die RNA-Bindedomäne als Verbindung die Strukturmodule für den Kerntransport in die richtige Position bringt. Michael Jantsch erklärt: "Entfernten wir die RNA-Bindedomäne, konnte ADAR1 nicht mehr in den Zellkern wandern. Dasselbe ist aber auch der Fall, wenn es virale doppelsträngige RNA gebunden hat. Mithilfe der WissenschaftlerInnen an der ETH konnten wir zeigen, wie dieser molekulare Schalter strukturell aufgebaut ist".

Welche RNAs betätigen den Schalter von ADAR1?
Hat ADAR1 RNA gebunden, versperrt diese den Zugang zum Kern: die Kerntransportmodule können nicht an ihren Partner, welcher den Durchgang durch die Kernhülle veranlasst, binden, da die RNA dies räumlich unmöglich macht. "Das ist ein Mechanismus, der bisher völlig unbekannt war. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als wolle man mit dem Auto in ein Parkhaus fahren. Um die Schranke zu öffnen, muss man zuerst ein Ticket durch Knopfdruck am Automaten ziehen. Transportiert man nun zusätzlich etwas Sperriges auf dem Autodach, kann man nicht mehr nah genug an den Automaten heranfahren um dem Ticketschalter zu betätigen, da sonst Transportgut und Automat zusammenstoßen", erläutert Michael Jantsch.

In der Folge wollen er und sein Team herausfinden, welche RNAs genau diesen "Schalter" von ADAR1 betätigen – also von ADAR1 gebunden und modifiziert werden und es am Rückgang in den Zellkern hindern. Zudem sind die ForscherInnen gespannt, ob und welche weiteren Proteine sie finden werden, deren Lokalisierung in der Zelle über RNA gesteuert wird.

Publikation in PNAS Plus:
Pierre Barraud, Silpi Banerjee, Weaam I. Mohamed, Michael F. Jantsch and Frédéric H.-T. Allain: A bimodular nuclear localization signal assembled via an extended dsRBD acts as an RNA-sensing signal for Transportin 1.
In: PNAS Plus (April 2014).
DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1323698111

Wissenschaftlicher Kontakt:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Jantsch
Department für Chromosomenbiologie
Max F. Perutz Laboratories
1030 Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
T +43-1-4277-562 30
michael.jantsch(at)univie.ac.at

Rückfragehinweise:
Dr. Lilly Sommer
Max F. Perutz Laboratories
Communications
T +43-1-4277-240 14
lilly.sommer(at)mfpl.ac.at

Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 33
M +43-664-602 77-175 33
alexandra.frey(at)univie.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt

Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Jantsch

Department für Chromosomenbiologie
Universität Wien
1030 - Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
+43-1-4277-562 30
michael.jantsch@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Dr. Lilly Sommer

Max F. Perutz Laboratories, Communications
Universität Wien
1030 - Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
+43-1-4277-240 14
lilly.sommer@univie.ac.at