Wie kann gerechte Verteilung funktionieren?

Konferenz zu Bedarfsgerechtigkeit und öffentliche Veranstaltung "Wissenschaft & Praxis"

Anfang März findet die Konferenz "Need-Based Justice and Distribution Procedures" als Abschluss eines internationalen Forschungsprojekts zu Bedarfsgerechtigkeit und Verteilungsprozeduren am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien statt. Internationale ExpertInnen diskutieren die Befunde experimenteller sozialwissenschaftlicher Gerechtigkeitsforschung. Keynotes halten u.a. der renommierte Philosoph David Miller und der Soziologe Stefan Liebig. Am Dienstag, 6. März, diskutieren österreichische Arbeitsmarktexperten auf der Grundlage der Befunde dieser Forschung zum Thema Verteilungsgerechtigkeit.

Die Anerkennung von Verteilungs- und Umverteilungsentscheidungen hängt davon ab, ob die resultierenden Anteile als gerecht empfunden werden. Die universellen Kriterien Gleichheit und Leistung erzeugen selbst Ungerechtigkeit, wenn sie in heterogenen Gruppen angewendet werden. "Die strikt gleiche Behandlung unterschiedlicher Fälle bedeutet ebenso wie die strikte Orientierung der Zuweisung an vorangegangene Leistung, dass Menschen, die mehr brauchen, weniger haben oder weniger beitragen können, unter die Schwelle der für ein würdiges Leben notwendigen Ressourcen fallen", erläutert Bernhard Kittel, Wirtschaftssoziologe an der Universität Wien. In solchen Situationen kommt das Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit ins Spiel. Aktuelle Beispiele sind die Diskussion über die Höhe der Mindestsicherung für Asylberechtigte oder die Höhe der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder von Personen, die in Österreich arbeiten.

Eckpunkte der Konferenz, die von Donnerstag, 1. März, bis Samstag, 3. März, an der Universität Wien stattfindet, sind Beiträge von international renommierten WissenschafterInnen. So spricht etwa der Soziologe Stefan Liebig (Universität Bielefeld und Direktor des sozio-ökonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) über die zeitliche Einbettung individueller Einstellungen zu sozialer Gerechtigkeit und der Politikwissenschafter André Bächtinger (Universität Stuttgart) erläutert, wie Prozesse des Austausches von Argumenten experimentell untersucht werden können. Den Höhepunkt der Konferenz bildet der Vortrag des renommierten Philosophen David Miller (Nuffield College, Oxford), in welchem er philosophische Überlegungen zur Frage der Bedarfsgerechtigkeit mit empirischen Befunden konfrontiert. Miller fragt, "Inwiefern ist es für die Anerkennung von Bedarfen relevant, wenn sie durch eigenes Fehlverhalten erzeugt worden sind?"

Die von Stefan Traub (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) koordinierte Forschungsgruppe hat in den vergangenen drei Jahren Bedarfsgerechtigkeit aus politikwissenschaftlicher, soziologischer, ökonomischer, psychologischer und philosophischer Perspektive erforscht. Zu diesem Zweck führten die ForscherInnen Laborexperimente durch, in denen ProbandInnen individuelle und kollektive Verteilungsentscheidungen treffen mussten, die sich auf die im Experiment verdiente Geldsumme ausgewirkt haben. Sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene stellen Bedarfe einen starken Referenzpunkt dar. Bedarfsorientierte Verteilungsentscheidungen weisen in Verhandlungen hohe Stabilität auf und erweisen sich als wirtschaftlich nachhaltig.

Die Konferenz markiert gleichzeitig den Beginn der zweiten Phase der Forschungsarbeit. In dieser zweiten Phase, die von der Deutschen Forschungsgesellschaft DFG, dem österreichischen FWF und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert wird, werden die soziale Reichweite der Bedarfsdeckung und die Unterschiedlichkeit der Bedarfe in den Mittelpunkt der Analyse gestellt.

Veranstaltung "Wissenschaft & Praxis"
Im Zusammenhang mit der Konferenz findet am Dienstag, 6. März 2018 um 18 Uhr in der Skylounge der Universität Wien (Oskar-Morgenstern-Platz 1, 1090 Wien) eine Veranstaltung aus der Reihe "Wissenschaft und Praxis" der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zum Thema "Welche Gerechtigkeit? Ansprüche an Politik zwischen Leistung, Gleichheit und Bedarf" statt. Die Experten werden das kontroverse Thema sowohl aus wissenschaftlicher, als auch aus gesellschaftlich-ethischer Perspektive beleuchten. Eine besondere Aktualität ergibt sich aus zahlreicher im aktuellen Regierungsübereinkommen enthaltener Maßnahmen und deren direkte Auswirkungen auf das Thema Bedarfsgerechtigkeit. 

Die geladenen Diskutanten Erich Fenninger (Volkshilfe Österreich), Rolf Gleißner (WKÖ) und Markus Marterbauer (AK Wien) stehen in gemeinsamen Diskurs mit Bernhard Kittel (Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien). Moderator: Eric Frey/Der Standard

Konferenz: Need-Based Justice and Distribution Procedures
Zeit:
Donnerstag, 1. März, bis Samstag, 3. März 2018
Ort: Aula am Campus der Universität Wien, 1090 Wien, Spitalgasse 2

Konferenz in englischer Sprache

Programm: http://bedarfsgerechtigkeit.hsu-hh.de/

Veranstaltung "Wissenschaft und Praxis": "Welche Gerechtigkeit? Ansprüche an Politik zwischen Leistung, Gleichheit und Bedarf"
Zeit:
Dienstag, 6. März 2018, 18.00 Uhr
Ort: Skylounge der Universität Wien, 1090 Wien, Oskar-Morgenstern-Platz 1

Wissenschaftlicher Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Kittel

Institut für Wirtschaftssoziologie
1090 - Wien, Oskar-Morgenstern-Platz 1
+43-1-4277-383 11
bernhard.kittel@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Stephan Brodicky

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