Vergabe der Herder-Preise 2004 an der Universität Wien

Am Freitag, dem 14. Mai 2004 um 11.00 Uhr, werden die Herder-Preise 2004 und Herder-Studienstipendien 2004 der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S. Hamburg im Großen Festsaal der Universität Wien verliehen.

Georg Winckler, Rektor der Universität Wien, überreicht die Preise an sieben WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und SchriftstellerInnen aus Süd- und Osteuropa.

Die seit 1963 vergebenen Herder-Preise und Herder-Studienstipendien sind ein Beitrag zur Stärkung der wissenschaftlichen sowie kulturellen Beziehungen zu ost- und südosteuropäischen Ländern. Den mit je 15.000 Euro dotierten Preis erhalten in diesem Jahr der Fotograf Romualdas Pozerskis aus Litauen, der Literaturwissenschaftler Michal Glowinski aus Polen, der Historiker und Publizist Dusan Kovac aus der Slowakei, die Anthropologin Eva Pocs aus Ungarn, der Publizist Fatos Lubonja aus Albanien, der Komponist und Dirigent Theodore Antoniou aus Griechenland sowie der Archäologe Kazimir Popkonstantinov aus Bulgarien. Mit den Preisen ist jeweils ein Stipendium verknüpft, das einer von der Preisträgerin oder vom Preisträger vorgeschlagenen begabten Nachwuchskraft ein Studienjahr an einer Wiener Hochschule ermöglicht.

Bisherige Preiträger waren u.a. 1965 der ungarische Komponist Prof. Dr. Dr. H.c. Zoltan Kodaly, 1969 der tschechoslowakische Architekt Prof. Dr. Bohuslav Fuchs, 1977 der polnische Komponist Prof. Krysztof Penderecki, 1982 der ungarische Bildhauer Imre Varga, 1985 der polnische Regisseur Andrzej Wajda, 1993 der ungarische Komponist György Kurtag, 1995 die polnische Lyrikerin und Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska, 2000 der ungarische Schriftsteller und Nobelpreisträger Imre Kertesz und sowie 2002 der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy.

Die Auswahl der PreisträgerInnen übernimmt ein unabhängiges Kuratorium, dem derzeit nachfolgende Persönlichkeiten angehören: Prof. Dr. Artur Rosenauer (Wien); Prof. Arch. Hans Busso von Busse (München); Prof. Dr. Peter Baum (Linz); Prof. Dr. Konstanze Fliedl (Salzburg); Prof. Dr. Jochen Dieter Range (Greifswald); Prof. Dr. Ulrike Jekutsch (Greifswald); Prof. Dr. Hartmut Krones (Wien); Prof. Dr. Klaus Roth (München); Prof. Dr. Arnold Suppan (Wien); Prof. Dr. Georg Winckler (Rektor der Universität Wien).

Rahmenprogramm

Am 12. Mai 2004, um 19.00 Uhr liest der polnische Preisträger Michal Glowinski aus seinem Werk „Eine Madeleine aus Schwarzbrot“ (Magdalenka z razo-wego chleba) in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, 1010 Wien, Herrengasse 5. Die Lesung wird zusammen mit der Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur und dem Polnischen Kulturinstitut veranstaltet.

Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung lesen der albanische Preisträger Fatos Lubonja und der polnische Preisträger Michal Glowinski am Donnerstag, den 14. Mai 2004, um 18.00 Uhr, im Heurigen „Passauerhof“, Cobenzlgasse 10, 1190 Wien, aus ihren Werken.

Kurzbiografien der PreisträgerInnen

Romualdas Pozerskis (geb. 1951), Litauen, seit den 80er Jahren freier Fotograf, wurde 1994 in die bedeutende "Fédération Internationale de l'Art Photographique" aufgenommen. Seine Arbeiten sind in Museen und Galerien in Litauen, Paris, Helsinki, New York als auch Stockholm zu finden und waren in Ausstellungen in Japan, Deutschland, Belgien, England und Polen zu sehen. Pozerskis veröffentlichte seine Fotografien in zahlreichen auflagenstarken Publikationen.

Michal Glowinski (geb. 1934), Polen, entwickelte nach seinem Studium der Polonistik zusammen mit Studienkameraden ein auf dem Strukturalismus basierendes Programm und legte in den Veröffentlichungen des Instituts für Literaturforschung in Warschau die Grundlagen für eine moderne, anspruchsvolle Literaturwissenschaft auf Weltniveau. Seine Doktorarbeit "Julian Tuwim und die polnische literarische Tradition" sowie seine Habilitationsschrift über die verschiedenartigen künstlerischen Bestrebungen der Epoche und die (de-)stabilisierenden Faktoren der Gattung Roman stellen bis heute Standardwerke dar. Neuere Arbeiten Glowinskis befassen sich mit der Analyse der totalitären Propagandasprache und widmen sich der Soziolinguistik, Pragmatik und Intertextualität. Seine autobiographischen Werke über Kindheitserinnerungen und die Erfahrungen in der stalinistischen Zeit wurden für den NIKE-Preis, den renommiertesten polnischen Literaturpreis, nominiert.

Dusan Kovac (geb. 1942), Slowakei, promovierte 1969 und habilitierte sich 1977 zum Professor der Geschichte. Im Jahre 1990 wurde er zum Direktor des Historischen Instituts der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (SAV) und schließlich 1998 zum Wissenschaftlichen Sekretär der SAV ernannt. Zu den wichtigsten Publikationen Kovacs zählen "Deutschland und die deutsche Minderheit in der Slowakei, 1871-1945", "Die Slowakei in Österreich-Ungarn" und "Die Aussiedlung der Deutschen aus der Slowakei, 1944-1953". Als international renommierter slowakischer Historiker ist er Mitglied in bedeutenden wissenschaftlichen Gesellschaften, wie der Royal Historical Society London, des Collegium Carolinum München, der Deutsch-Slowakischen Historikerkommission, des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts Wien und des Europa Instituts Budapest. Auf Grund seiner Arbeit für die internationale Vernetzung der slowakischen Wissenschaft im europäischen Forschungsraum erhielt Kovác bereits Staatspreise in Österreich, Ungarn und der Slowakei.

Eva Pocs (geb. 1936), Ungarn, leitete zum Thema "Volksglauben" eine langjährige Feldforschung in einem ungarischen Dorf, um die Funktionen archaischer Glaubensvorstellungen und ihren Einfluss auf das dörfliche Leben im 19. und 20. Jahrhundert zu analysieren. In den frühen 80er Jahren entdeckte Eva Pócs das neue, interdisziplinäre Forschungsfeld der "Historischen Anthropologie". Mit Hilfe der neuen Theorien über Religion, Herrschaftsstrukturen und Mentalität überarbeitete sie die volkskundliche Forschung von traditionellen, vorchristlichen Glaubensvorstellungen und Hexenwesen in Ungarn. Um das ungarische Material in einem europäischen, vergleichenden Kontext einzuordnen, organisierte sie zahlreiche Konferenzen, Workshops und Arbeitstagungen auf europäischer Ebene. Außerdem beteiligte sie sich maßgeblich an der Wiedereinrichtung des volkskundlichen Lehrstuhls an der Universität Pécs und der Entwicklung seines Lehrprogrammes.

Fatos Lubonja (geb. 1951), Albanien, wurde nach Beendigung seines Physikstudiums 1974 wegen feindlicher Agitation und Propaganda sieben Jahre inhaftiert. Insgesamt verbrachte er 17 Jahre in Gefängnissen und Straflagern. Die Erfahrungen dieser Zeit hat er in autobiographischen Erzählungen und dem Roman "Ridënimi" (Das zweite Urteil) verarbeitet. Lubonja zählt heute zu den profiliertesten unabhängigen Publizisten Albaniens und ist Herausgeber der 1994 von ihm gegründeten Zeitschrift "Përpjekja". Seine Veröffentlichungen und sein Einsatz für die Menschenrechte, für Demokratie und sozialen Ausgleich in der von politischen und wirtschaftlichen Widersprüchen zerrissenen postkommunistischen albanischen Gesellschaft haben ihm auch im Ausland hohes Ansehen eingebracht. Die Arbeit Lubonjas wurde u.a. mit dem "Premio Alberto Moravia" 2002 in Rom gewürdigt.

Theodore Antoniou (geb. 1935), Griechenland, ist als hervorragender Komponist und Dirigent international anerkannt. Nach seinem Studium der Violine, des Gesangs und der Komposition in Athen sowie des Dirigierens und der Komposition in München und Darmstadt lehrt er seit 1978 Komposition an der Boston University. Antoniou dirigierte bereits große Orchester wie die Boston Symphony Orchestra Chamber Players, die Rundfunkorchester von Hamburg und Paris, die nationale Oper von Griechenland sowie das Berkshire Music Center Orchestra und gründete verschiedene zeitgenössische Musikensembles. Seit 1989 ist er Präsident der National Greek Composers Association. Für sein musikalisches Lebenswerk (Opern, Chorwerke, Kammermusik, Film- und Theatermusik sowie Solo-Instrumentalstücke) wurde Antoniou bereits mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, u.a. mit dem Dimitri-Mitropoulos-Preis 2000.

Kazimir Popkonstantinov (geb. 1942), Bulgarien, seit 1991 Vizerektor der Universität Veliko Turnovo, wurde 1996 zum Professor für Archäologie an der Universität Veliko Turnovo berufen. An den Universitäten Salzburg, Köln und Freiburg referiert er über die mittelalterliche Epigraphik Bulgariens und Griechenlands und ist Gastprofessor an der Universität Salzburg. 1996 wurde Popkonstantinov zum Leiter des Lehrstuhls für Archäologie und des Centers für Balkan-Studien berufen, seit 1999 amtiert er als Kanzler der Fakultät Orthodoxe Theologie. Mit seiner archäologischen Arbeit leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung des alten Bulgariens. Internationale Beachtung fand Popkonstantinov mit der Ausgrabung eines frühmittelalterlichen Klosters bei Varna wie auch seine Epigraphik-Forschungen, die monumentale Inschriften, Blei-Amulette und Graffiti umfassen.

Preisverleihung:

Freitag, dem 14. Mai 2004, um 11 Uhr c.t.

Großer Festsaal der Universität Wien

1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

Rückfragehinweis und weitere Information:

Veronika Schallhart

Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement

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