Tagung "Fußball unterm Hakenkreuz"

Am 22. Juni 2011 findet im Wiener Hanappi-Stadion die internationale Tagung "Fußball unterm Hakenkreuz" statt – am 70. Jahrestag des Sieges von Rapid in der "Großdeutschen Meisterschaft". Ausgehend vom mythenumrankten 4:3 Rapids gegen Schalke 04 widmen sich ForscherInnen den politischen Funktionen und der populärkulturellen Bedeutung des Fußballs im Nationalsozialismus. Zudem vergleichen die TeilnehmerInnen die Geschichte Rapids mit der anderer Fußballvereine in der "Ostmark", darunter Austria Wien und Vienna sowie mit Fußball im damaligen "Gau Oberdonau". Die Tagung wird von Forschern des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien in Kooperation mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, dem SK Rapid/Rapidmuseum und dem Projektteam "Grün-Weiß unterm Hakenkreuz" veranstaltet.

Am Morgen des 22. Juni 1941 überfiel das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion, am Nachmittag desselben Tages gewann Rapid in Berlin die "Großdeutsche Kriegsmeisterschaft". Das Finale gegen Schalke 04 zählt bis heute zu den wichtigsten Spielen und "Erinnerungsorten" in der Vereinsgeschichte Rapids. Das liegt sowohl am Spielverlauf – Rapid verwandelte einen 0:3-Rückstand in einen 4:3-Sieg – als auch an einer Reihe von Mythen, die sich um das Spiel ranken.

"So bot das Finalspiel etwa Raum für Verschwörungstheorien. In Wien hieß es, die Rapid-Spieler seien wegen ihres Sieges an die Front versetzt worden, in Gelsenkirchen wurde kolportiert, der Sieg von Rapid sei politisch gewünscht gewesen, um keine Spannungen zwischen der 'Ostmark' und dem 'Altreich' aufkommen zu lassen", erklärt Georg Spitaler vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.

Stadien als Orte spontaner Proteste
Das Endspiel 1941 dient als Beispiel für die populärkulturelle Bedeutung und die politischen Funktionen des Fußballs im Nationalsozialismus. Durch die Aufrechterhaltung eines "normalen" Sportbetriebs unter alles andere als normalen gesellschaftlichen Bedingungen spielte der Fußball eine systemstabilisierende Rolle. Dennoch war der Fußballplatz ein potenziell politischer Ort mit begrenzten Freiräumen: Stadiontribünen gehörten zu den wenigen öffentlichen Räumen, die für spontanen Protest genutzt werden konnten. So gab es in Wien anti-deutsche Stimmungen bei Begegnungen mit Teams aus dem "Altreich". Nach 1945 wurden solche "Erinnerungsorte" des Wiener Fußballs – nicht zuletzt das Endspiel 1941 – zu wichtigen Bausteinen österreichischer Vergangenheitspolitik, die die Behauptung stützten, Österreich wäre das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen.

Die Tagung "Fußball unterm Hakenkreuz" findet am 70. Jahrestag des Finales um die "Großdeutsche Meisterschaft" 1941 statt. Auf Basis der jüngst veröffentlichten Studie "Grün-Weiß unterm Hakenkreuz" und vergleichbarer Arbeiten zu Schalke 04 diskutieren deutsche und österreichische HistorikerInnen, KulturwissenschaftlerInnen, PolitologInnen und VereinsarchivarInnen über die historische Einordnung des Finales. Dabei soll geklärt werden, was heute aus Wiener und Gelsenkirchener Sicht von den Mythen rund um das Spiel noch übrig bleibt.

NS-Geschichte mehrerer Vereine beleuchtet
Weiters wird die Geschichte des SK Rapid im Nationalsozialismus mit der anderer Fußballvereine in der "Ostmark" (ab 1939 "Alpen- und Donaureichsgaue"), dem "Altreich" und dem "Protektorat Böhmen und Mähren" verglichen. "Da Rapid als bisher einziger österreichischer Bundesliga-Verein seine NS-Geschichte umfassend aufarbeiten ließ, bietet die Tagung die Möglichkeit, eine kritische Zwischenbilanz zum Forschungsstand bei anderen österreichischen Klubs zu ziehen und möglichen Bedarf an weiterer Forschung aufzuzeigen", so Jakob Rosenberg vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.

Gleichzeitig werden Besonderheiten der Situation in Wien bzw. der "Ostmark" im Vergleich mit anderen Regionen des Deutschen Reichs sowie besetzten Gebieten herausgearbeitet; etwa, wie sich die Rolle des Fußballs und das Verhältnis zum "Altreich" in Wien und im besetzten Prag unterschieden und welche Beziehungen zwischen der deutschen und "ostmärkischen" Sportbürokratie bestanden.
 
Zeit: Mittwoch, 22. Juni 2011, 10.00 bis 21.00 Uhr
Ort: Gerhard-Hanappi-Stadion (Aula), Keißlergasse 6, 1140 Wien
Eintritt frei
Detailliertes Programm

Wissenschaftliche Kontakte
Dr. Georg Spitaler
Institut für Politikwissenschaft
Universität Wien
M +43-699-111 77 255
georg.spitaler(at)univie.ac.at

Mag. Jakob Rosenberg
Institut für Politikwissenschaft
Universität Wien
M +43-650-711 19 17
jakob.rosenberg(at)univie.ac.at

Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
T +43-1-4277-175 31
M +43-664-602 77-175 31
alexander.dworzak(at)univie.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Georg Spitaler

Institut für Politikwissenschaft
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsstraße 7 (NIG)
+43-1-4277-494 49
georg.spitaler@univie.ac.at

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Mag. Alexander Dworzak

Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-175 31
+43-664-602 77-175 31
alexander.dworzak@univie.ac.at