Neue Professur für Papyrologie an der Universität Wien

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Palme ist Professor für Alte Geschichte und Papyrologie der Universität Wien. Im Rahmen seiner Antrittsvorlesung im Kleinen Festsaal der Universität Wien am Dienstag, 3. Mai 2005, 17.00 Uhr, spricht Palme über seine Forschungsarbeit und eröffnet dabei unverfälschte Einblicke in die Lebensverhältnisse der Antike.

Bei den von Palme entzifferten und kommentierten Papyri-Dokumenten handelt es sich um antike Literatur genauso wie um profane Texte wie Steuerabrechnungen, Einkaufszettel oder Privatbriefe – Schriften, die Auskunft über die Mentalitätsgeschichte gerade der „kleinen Leute“ geben. Medizinische Rezepte, magische Beschwörungs­formeln, Verwaltungsakten, aber auch verschiedenste Texte des privaten Rechtsverkehres wie Heiratsurkunden, Pachtverträge oder Eselskäufe: Zu hunderttausenden sind Papyrusurkunden vor allem im trockenen Sand Ägyptens aus der griechisch-römischen Epoche erhalten geblieben, jedes einzelne ein Originaldokumente der antiken Schriftkultur.

Eine besondere Faszination geht von jenen Texten aus, in denen unmittelbar die Gedankenwelt des Schreibers zum Ausdruck kommt. Vor allem in Privatbriefen kommen sehr direkt Freud und Leid, Empfindungen und Ansichten zur Sprache. Allerdings waren diese Denkweisen von Individuen oder Gruppen aus dem griechisch-römischen Ägypten bislang kaum Gegenstand der papyrologischen oder kulturhistorischen Forschung. Die vornehmliche Aufgabe des Papyrologen ist es, die Texte zu editieren und aufzubereiten. Zu formulieren und interpretieren, was in den Köpfen und Herzen dieser Menschen vorging, definieren nur wenige WissenschafterInnen als eigenes Forschungsfeld, nämlich jenes der Mentalitätsgeschichte.

Die Papyrologie kann auf dem Gebiet der Mentalitätsgeschichte Entscheidendes beitragen, weil sie den Zugriff auf die mittleren und unteren Volksschichten ermöglicht und im Erfassen von deren Geisteshaltung eine wichtige Ergänzung zu der Mentalität der sozialen und geistigen Eliten beisteuert.

Anhand eines Privatbriefes, einer Orakelfrage, eines Liebeszaubers und eines Kondolenzbriefes lässt sich beispielhaft zeigen, welche Möglichkeiten die Papyri für die Mentalitätsgeschichte bieten. Gerade im Wechselspiel zwischen Textkritik und historischer Analyse eröffnen die Papyri neue, vielfältige und facettenreiche Perspektiven der Kulturgeschichte des klassischen Altertums.

Bernhard Palme hält den einzigen Lehrstuhl für Papyrologie an der Universität Wien. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Kooperation zwischen der Österreichischen Nationalbibliothek (OeNB) und der Universität. Die Papyrussammlung der OeNB stellt die Quellen zur Verfügung und die Universität liefert zusätzliches wissenschaftliches Know-how. Mit der Einrichtung der Professur ist die Fortsetzung des umfangreichen Forschungsprogramms an der Papyrussammlung gesichert, das Bernhard Palme durch seinen 1997 erhaltenen START-Preis begonnen und finanziert hat. Auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften beteiligt sich als dritte Institution an der wissenschaftlichen Zusammenarbeit und stellt so die Papyrusforschung in Wien auf ein breites und solides Fundament.

Zur Biografie von Bernhard Palme

Bernhard Palme, geb. 1961 in Wien, ist seit April 2004 Professor für Alte Geschichte und Papyrologie an der Universität Wien. Studium der Alten Geschichte und Geschichte an der Universität Wien, Promotion 1989. Seit 1984 Mitarbeiter an der Kommission für Antike Rechtsgeschichte der Österr. Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Seit 1986 Redakteur und seit 2004 Mitherausgeber der Zeitschrift TYCHE. Ab 1990 Lehrtätigkeit an den Universitäten Wien, Salzburg und Graz. 1991-1993 Humboldt-Stipendium am Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg, danach APART-Stipendiat der ÖAW. 1997 START-Preis des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung. 1998 Habilitation für Alte Geschichte und Papyrologie. Mitarbeiter und Leiter zahlreicher Projekte des Wissenschaftsfonds (FWF). Forschungsschwerpunkte: Papyruseditionen, griechisch-römisches Ägypten, Geschichte der Spätantike .

Antrittsvorlesung „Papyrologie und Mentalitätsgeschichte der Antike“

Zeit: Dienstag, 3. Mai 2005, 17.00 Uhr

Ort: Universität Wien, Kleiner Festsaal, 1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

Rückfragehinweis:

Mag. Alexandra Frey

Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement

Universität Wien

1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

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