Neue Professur am Zentrum für Translationswissenschaft

Gerhard Budin wurde mit 1. Jänner 2005 zum Professor für Translatorische Terminologiewissenschaft und Übersetzungstechnologie ernannt. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die internationale Kommunikation im 21. Jahrhundert. Zu diesem Thema hält er am 8. März um 17.00 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine öffentliche Antrittsvorlesung.

Wissen Sie, wie viele Verträge nicht zustande gekommen sind, weil „eventually“ mit „eventuell“ übersetzt wurde? Und wissen Sie, wie viele kostspielige Missverständnisse es gegeben hat, weil in Unterlagen „Schraubverbindung“ statt „Schraubenverbindungen“ und „bit“ statt „byte“ verwendet wurde? Simple Fehler in der Wortwahl führen zu Kommunikationsverzerrungen und damit zu mannigfaltigen Problemen bis hin zu finanziellem Schaden. Terminologiearbeit bezweckt, solche Missverständnisse auszuschließen.

Austriazismen in der EU

Am Beispiel der Sprache des Rechts sehen wir, wie sehr die Rechtsordnung eines Landes ihre Terminologie bestimmt. In der österreichischen Rechtssprache gibt es eine lange Liste von so genannten Austriazismen. So etwa versteht man unter "Rekurs" ein ordentliches, aufsteigendes, grundsätzlich nicht aufschiebendes Rechtsmittel gegen Beschlüsse der Gerichte erster und zweiter Instanz (§§514 ff ZPO). In der Rechtsordnung Deutschlands ist dieser Terminus unbekannt, zudem wird aber zwischen Beschwerde, Einspruch und Berufung begrifflich unterschieden.

In der Germanistik wird zunehmend das österreichische Deutsch als Standardvariante des Deutschen anerkannt. Eine österreichische Terminologie-Initiative soll nun gestartet werden, um systematisch die österreich-spezifischen Fachausdrücke zu sammeln und auch den Übersetzungsdiensten in Brüssel und Luxemburg zur Verfügung zu stellen. Am Zentrum für Translationswissenschaft entsteht zurzeit in Kooperation mit Berufsverbänden wie Universitas (Österreichischer Übersetzer- und Dolmetscherverband), verschiedenen Ministerien und Organisationen eine Terminologie-Plattform mit Glossaren und Datenbanken, um den Zugang zu solchen Informationen im World Wide Web zu erleichtern.

Wozu Terminologie?

Terminologische Wissensarbeit dient als Schlüssel zur Verbesserung betrieblicher Kommunikation genauso wie zur Organisation des Wissens im Bildungswesen. Gerhard Budin verbindet in seinen Forschungsprojekten im eLearning-Sektor (z.B.: „Logos Gaias“ und „Media Novae Naturae“ gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien) beispielsweise Vermittlungskonzepte zum interkulturellen Lernen mit den Prozessen der mehrsprachigen Wissensorganisation. Im Rahmen des EU-Projekts WIN (Wide Information Network for Risk Management) entwickelt Budin ein mehrsprachiges Terminologie-Informationssystem „MULTH“, in dem Risikoterminologien aus unterschiedlichen Fachgebieten und in verschiedenen Sprachen miteinander verglichen werden.

Das Volumen und die Komplexität von Daten- und Informationsströmen nehmen täglich zu. Damit steigt auch die Notwendigkeit einer semantischen Interoperabilität, also die Möglichkeit, Bedeutungsinhalte nicht nur zwischen Sprachen und Kulturen, sondern auch zwischen unterschiedlichen Datenstrukturen darstellen und damit weiterverarbeiten zu können. Hierzu bedarf es universeller Meta-Normen, an denen Professor Budin im Rahmen seiner Ausschuss-Tätigkeit beim österreichischen Normungsinstitut arbeitet.

„Glokalisierung“ der Kommunikation

Dass die Globalisierung unsere Lebens- und Arbeitswelt nachhaltig beeinflusst hat und auch weiterhin verändern wird, ist einer der Mega-Trends unseres Jahrhunderts. Hand in Hand damit geht auch die Globalisierung der Kommunikationsprozesse, die freilich nicht allein Produkt der letzten Dekade ist, sondern vielmehr Teil der soziokulturellen Evolution der letzten 5000 Jahre. Internationale Kommunikation beinhaltet neben dem Trend zur Globalisierung auch jenen zur Lokalisierung. Für diese wechselseitige Beziehung, die nur auf den ersten Blick widersprüchlich scheint, ist das treffende Mischwort „Glokalisierung“ geprägt worden.

Internationale Kommunikation ist immer auch interkulturelle Kommunikation, bei der der Bezugsgegenstand dieser Kommunikationsprozesse, also das Wissen selbst, das täglich (re-)produziert und damit verändert wird, all diesen Trends unterworfen ist. Fachsprachliche Kommunikation setzt Genauigkeit und Eindeutigkeit voraus. Und hierzu bedarf es systematischer und koordinierter Terminologiearbeit. Erst dieses Instrument garantiert, dass Begriffe definiert werden, denen wiederum möglichst transparente Bezeichnungen in jeder Sprache zugeordnet werden. Auf dieser Basis funktioniert interkulturelles Wissensmanagement.

Eines der wichtigsten Ziele des Wissensmanagements ist das „knowledge sharing“, also das Wissen in sozialen Gruppen zu teilen. Terminologiearbeit findet zunehmend in mehrsprachigen Arbeitsumgebungen statt. Der Vergleich von Fachterminologien ist somit zu einem der diffizilsten und spannendsten Forschungsgebieten in der translatorisch orientierten Terminologiewissenschaft geworden. Zur Optimierung der internationalen Kommunikation hat die Terminologiewissenschaft eine Reihe von Methoden entwickelt, wie etwa Technologiedatenbanken oder (digitale) Wörterbücher als Produkte der Dokumentationsarbeit.

Kurzbiografie von Gerhard Budin

Gerhard Budin, geb. 1961 in Wien, studierte zwischen 1980 und 1988 an der Universität Wien, der Universidad Central de Barcelona und der Wirtschaftsuniversität Wien u.a. Translationswissenschaften (Übersetzen und Dolmetschen, Sponsion 1988), Sprachwissenschaften (Promotion 1988) , sowie Wissenschaftstheorie, Philosophie, Informatik und Volkswirtschaftslehre.

Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter u.a. beim Internationalen Informationszentrum für Terminologie (Infoterm) am Österreichischen Normungsinstitut und bei der International Society for Environmental Protection tätig. 1997 erfolgt die Habilitation am Institut für Übersetzen und Dolmetschen sowie am Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung an der Universität Wien. Gastprofessuren an der Universität Limoges (1997-1998), Universität Paris VII (2002), seit 2001 Visiting Professor an der Donau-Universität Krems. Zahlreiche Gastvorträge, Seminare und Lehrgänge in aller Welt.

Budins Forschungsschwerpunkte liegen in der Vergleichenden Terminologieforschung, Terminologiemanagement, dem mehrsprachigen Informations- und Wissensmanagement sowie der Wissensorganisation in eEducation.

Antrittsvorlesung

„Internationale Kommunikation im 21. Jahrhundert – terminologische Wissensarbeit und Übersetzungstechnologien“

Zeit: Dienstag, 8. März 2005, 17.00 Uhr

Ort: Universität Wien, Kleiner Festsaal, 1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

Treppenfreier Zugang: Linker Seiteneingang, Hof 5, Lift 1. Stock, über den Gang zum kleinen Festsaal

Rückfragehinweis:

Mag. Veronika Schallhart

Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement

Universität Wien

1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

Tel: +43-1-4277-18182

Mobil: +43-664-60277-18182

Fax: +43-1-4277-9181

E-Mail: veronika.schallhart@univie.ac.at