Migration im Gemeindebau: Neue Studie der Universität Wien

Seit 2006 ist die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr Voraussetzung für den Zugang zu einer Gemeindebauwohnung in Wien. Doch nicht erst seit dieser Regelung leben Menschen mit Migrationshintergrund in Gemeindebauten. Welche Konflikte zwischen "Alteingesessenen" und "Zuzüglern" auftreten und welche Potenziale sich aus dem Zusammenleben ergeben, zeigt eine Studie des Instituts für Soziologie in Kooperation mit dem Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien und der Gebietsbetreuung Floridsdorf. Am Donnerstag, 29. Juni 2006, werden die Ergebnisse im Karl-Seitz-Hof vorgestellt.

"Der kommunale Wohnbau in Wien, wo die Stadt nicht nur Unterstützung gibt, sondern als Bauherr und Eigentümer auftritt, ist ein Unikum", sagt Ass.-Prof. Dr. Christoph Reinprecht vom Institut für Soziologie. Aufgrund einer EU-Richtlinie kam es 2006 für ausländische StaatsbürgerInnen, die seit fünf Jahren in Österreich leben, zur "Öffnung" der Gemeindebauten. Noch lässt sich nicht abschätzen, ob diese Änderung zu einem Anstieg der Antragstellungen von nicht-österreichischen StaatsbürgerInnen führen wird; dabei wird oft übersehen, dass schon seit vielen Jahren Personen mit Migrationshintergrund aufgrund von Einbürgerungen in Gemeindebauten wohnen. "Ein Viertel aller BewohnerInnen", schätzt Reinprecht den Anteil.

BewohnerInnenbefragung in drei Wohnanlagen

Die Studie wurde in Kooperation mit der Floridsdorfer Gebietsbetreuung, zu deren Aufgaben Konfliktmediation in Nachbarschaften zählt, gemeinsam mit dem Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien durchgeführt: Erhoben wurden die Wohnbiografien von Gemeindebau-BewohnerInnen, außerdem wurden Bevölkerungsstatistiken ausgewertet und BewohnerInnen persönlich befragt; insgesamt 216 Personen, darunter 28 Prozent mit Migrationshintergrund.

Schwieriges Zusammenleben

Die Ergebnisse zeigen: 59 Prozent der Befragten fühlen sich verbunden mit ihrer Wohngegend, weniger aber mit der Nachbarschaft – dass die BewohnerInnen zusammenhalten, geben nur 19 Prozent an. Das Zusammenleben zwischen "Einheimischen" und Personen ausländischer Herkunft ist offenbar ein Konfliktpunkt: 59 Prozent bewerten es als negativ; unter den einheimischen ÖsterreicherInnen sind es 64 Prozent, unter den zugewanderten weniger, nämlich 39 Prozent.

Problemfeld Alltag

Die meisten Konflikte seien Alltagsangelegenheiten, schildert Reinprecht: "Dinge wie die Nutzung von Höfen, das Sitzen auf Parkbänken, der Lärm von Kindern und Jugendlichen oder Essensgerüche sind Hauptanlasspunkte für Konflikte und Streit." Bei der Frage nach dem Konfliktverhalten geben sich die Befragten gelassen: 72 Prozent "besprechen alles in Ruhe". Unter den 33 Prozent, die sich zurückziehen und gar nichts machen, haben 32 Prozent Migrationshintergrund.

Kommunikation, Beteiligung – und mehr Bänke

Potenzial für Problemlösungen und Verbesserung des Zusammenlebens sei vorhanden, sagt Christoph Reinprecht: "26 Prozent der Befragten sind bereit, sich für Veränderungen einzusetzen und stoßen bei einem Großteil der BewohnerInnen auf Akzeptanz."

Maßnahmen könnten bei einer besseren Kommunikation, etwa durch eine mehrsprachige Hausordnung, sowie bei der Ermöglichung von Verständigung und Dialog, z.B. im Rahmen einer Versammlung oder eines Festes ansetzen.

Veranstaltung:

Gemeindebau im Gespräch – Entwicklungen und Perspektiven im kommunalen Wohnbau in Wien

Donnerstag, 29. Juni 2006,

Tanzschule Schwebach im Karl-Seitz-Hof, Jedleseer Straße 66, 1210 Wien

11.30 bis 18.15 Uhr: Wissenschaftlicher Workshop

19.30 Uhr: Festkonzert 80 Jahre Grundsteinlegung Karl-Seitz-Hof

Rahmenprogramm: Ausstellungen "Ich lebe im Gemeindebau" und "Lebenswelt Gartenstadt – Karl Seitz Hof".

Kontakt:

Ass. Prof. Dr. Christoph Reinprecht

Institut für Soziologie

Universität Wien

Rooseveltplatz 2

1090 Wien

Christoph.reinprecht(at)univie.ac.at

Rückfragehinweis:

Mag. Alexandra Frey

Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement

Universität Wien

1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1

T +43-1-4277-175 31

alexandra.frey(at)univie.ac.at

public.univie.ac.at