Matrix-Theorie als Alternative zur Stringtheorie?

Physiker der Universität Wien erforschen Ursprung der Elementarteilchen

Auch nach der spektakulären Entdeckung des Higgs-Teilchens 2012 am CERN bleibt die Suche nach einer umfassenden Theorie der fundamentalen Wechselwirkungen eines der großen ungelösten Probleme in der theoretischen Physik. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Zusammenführung von Quantenmechanik und Gravitation. Physiker um Harold Steinacker von der Universität Wien untersuchen mit sogenannten Matrix-Modellen einen alternativen Zugang zur favorisierten Stringtheorie. Dazu publizierten sie kürzlich im Fachjournal "Progress of Theoretical and Experimental Physics".

Die Stringtheorie liefert für die Verbindung von Quantenmechanik und Gravitation einen weitreichenden Ansatz, führt aber in ihrer konventionellen Formulierung zu einer unüberschaubaren Vielfalt von Möglichkeiten. Dadurch ist die Vorhersagekraft der Theorie stark eingeschränkt. Hier setzt das vom FWF geförderte Projekt von Harold Steinacker, theoretischer Physiker an der Universität Wien, an. "Die von uns genutzten, so genannten Matrix-Modelle sind bemerkenswert einfach. Dabei sind alle physikalischen Objekte und deren Dynamik in wenigen Matrizen codiert und beschrieben, insbesondere auch die Raumzeit und deren Geometrie", so Steinacker: "Die Modelle ermöglichen es, tiefliegende Fragen, z.B. über die Quantenstruktur der Raumzeit oder die Zahl der Dimensionen unserer Raumzeit zu untersuchen".

Die Tragweite dieses Zugangs ist allerdings umstritten: insbesondere war bisher nicht klar, ob damit eine realistische Beschreibung der Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen überhaupt möglich ist. Knackpunkt hierbei ist eine essentielle Eigenschaft des Standard-Modells der Elementarteilchen, die sogenannte Chiralität. Es war nicht klar, ob und wie diese Eigenschaft in Matrix-Modellen realisiert werden kann.

Chiralität als Schlüsseleigenschaft
In der nun veröffentlichten Arbeit konnten Harold Steinacker und Jochen Zahn zeigen, dass auch die chiralen Eigenschaften des Standard-Modells im Rahmen der Matrix-Modelle zu realisieren sind. Sie fanden erstmals eine Konfiguration im Matrix-Modell, die dem Standard-Modell der Elementarteilchen zumindest in wesentlichen Zügen nahekommt. Der Ansatz führt zu einer Erweiterung insbesondere des Higgs-Sektors des Standard-Modells, dem eine geometrische Rolle zugewiesen wird, wenn auch in einer derzeit noch spekulativen Form.

Quanten-Geometrie
Grundlage hierfür sind neue mathematische Techniken der Quanten-Geometrie, welche in den vergangenen Jahren insbesondere an der Universität Wien entwickelt und adaptiert wurden. Die physikalischen Eigenschaften der Modelle können durch solche Quanten-Geometrien in zusätzlichen Dimensionen beschrieben und verstanden werden. "Der Zugang über Matrix-Modelle ermöglicht es dabei, Ideen der Stringtheorie aufzugreifen, die damit zusammenhängenden Probleme aber zu umgehen", erklärt Steinacker. Diese Entwicklungen eröffnen einen bemerkenswert einfachen Zugang auf der Suche nach einer einheitlichen Theorie der fundamentalen Wechselwirkungen, in dem die Quantenphysik auch die Struktur der Raumzeit bestimmt. Bis zu einem hinreichenden Verständnis dieser Matrix-Modelle und deren Tragfähigkeit als fundamentale Theorie sei es jedoch noch ein langer unerforschter Weg, so der Physiker abschließend.

Publikation in Progress of Theoretical and Experimental Physics 2014:
An extended standard model and its Higgs geometry from the matrix model: Harold C. Steinacker, Jochen Zahn. In: Progress of Theoretical and Experimental Physics 2014.
DOI: 10.1093/ptep/ptu111

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