Gerechtigkeit in einer endlichen Welt: Ökologie – Wirtschaft – Ethik

Am 10. und 11. Jänner 2013 findet an der Universität Wien die internationale Konferenz "Gerechtigkeit in einer endlichen Welt" statt. Die vom Institut für Sozialethik der Katholisch-Theologischen Fakultät organisierte Tagung bietet ExpertInnen aus dem öffentlichen Bereich und aus den Kirchen die Möglichkeit, aktuelle Fragen aus dem Themenkomplex Ökologie, Wirtschaft und Ethik zu diskutieren. Im Rahmen einer Pressekonferenz sprechen Peter Kardinal Turkson, Kurienkardinal und Präsident des Päpstlichen Rates Iustitia et Pax, sowie der renommierte Wirtschaftswissenschafter Gerhard Scherhorn, der am Donnerstagabend den Festvortrag "Nachhaltig wirtschaften. Im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie" hält.

Die Bedeutung ökologischer Fragen für ein gutes Leben – mehr noch: für das Überleben – der Menschheit tritt heute angesichts klimatischer Veränderungen und der Zerstörung natürlicher Lebensräume immer stärker ins Bewusstsein. Eng verwoben sind diese Herausforderungen mit der Art unseres Wirtschaftens und damit einhergehend mit der Gestaltung internationaler Beziehungen. So ist die Beziehung von Ökologie und Wirtschaft "die" Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit. Wie kann ein gutes Leben aller Menschen angesichts begrenzter natürlicher Ressourcen gelingen und was können Theologie, Ethik, Lebenswissenschaften und die christlichen Kirchen dazu beitragen?

"In unserer pluralistischen Gesellschaft wächst der ethische Orientierungsbedarf. Die wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit ethischen Fragen stellt eine wichtige Aufgabe von Universitäten für die Gesellschaft dar", so Christa Schnabl, Vizerektorin und Sozialethikerin der Universität Wien.

Verantwortung der Kirchen für die eine Welt
Peter Kardinal Turkson, Präsident des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, sprach über die Frage nach dem Verhältnis von Ökologie, Gerechtigkeit und Frieden in weltkirchlich‐globaler Perspektive: "Die heute Abend beginnende ökumenische Fachtagung beleuchtet die gemeinsame ökumenische Verantwortung der christlichen Kirchen, ein humanes Leben aller Menschen angesichts begrenzter natürlicher Ressourcen zu ermöglichen. Seit seiner Gründung im Jahr 1967 hat der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden auf Ansuchen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht nur Fragen der sozialen Gerechtigkeit thematisiert, sondern auch Fragen der Umwelt und des verantwortungsvollen Umgangs mit den Gütern dieser Erde." Turkson wies auf die Verstärkung des ökologischen Bewusstseins unter Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. hin: "Ausgehend von grundlegenden Vorstellungen von der Würde des Menschen als Geschöpf Gottes und unserer Verantwortung gegenüber der Natur, verbindet Papst Benedikt XVI. natürliche ökologische Bedenken eng mit menschlich-ökologischen Bedenken und betont, dass die Bewältigung der einen das Ansprechen der anderen beinhaltet. Je besser die internationale Gemeinschaft sich dieser Bedenken annimmt, desto besser wird sie der Sozialökologie dienen und somit auf konkrete Weise zum Aufbau einer Ökologie des Friedens beitragen."

Wie Ökologie und Wirtschaftlichkeit verbinden?
Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiges Wirtschaften ist immer auch eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber gegenwärtigen und künftigen Generationen. Vor diesem Hintergrund erklärt Gerhard Scherhorn, em. Professor für Konsumtheorie und Verbraucherpolitik der Universität Hohenheim, in seinem Statement drei Maximen nachhaltigen Wirtschaftens: "Der technische Fortschritt hat die Menschen befähigt, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören; doch zugleich hat er auch die Voraussetzungen für ihre Erhaltung geschaffen. Noch ist nicht sicher, dass wir den zweiten Weg einschlagen. Denn im Spannungsverhältnis von Ökologie und Ökonomie setzt sich allzu oft der kurze Zeithorizont der Ökonomie durch, der uns dazu verleitet, weiter 'von der Substanz' zu leben. Nachhaltiges Wirtschaften aber erfordert Eigentumspflichten, Subsistenzräume und Verteilungsgerechtigkeit. Alle drei Maximen sind mit einer marktwirtschaftlichen, nicht aber mit einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung vereinbar."

Notwendiger Paradigmenwechsel
Ingeborg Gabriel, Professorin für Sozialethik an der Universität Wien und Direktorin der Österreichischen Kommission Iustitia et Pax, wies auf das mit ökologischen Fragen verbundene Gerechtigkeitsproblem hin: "Klimaveränderungen und Umweltschäden stellen nicht nur ein Problem in sich dar. Sie sind eines der größten Gerechtigkeitsprobleme der Gegenwart und Zukunft. Zum einen sind jene armen (südlichen) Regionen der Welt am stärksten betroffen, deren Bewohner den Klimawandel nicht verursacht haben, während die Verursacher im Norden teils davon profitieren. Zum anderen wird eine Bewältigung der ökologischen Probleme dadurch erschwert, dass der westliche ressourcen- und energieintensive Lebensstil längst zum Vorbild für die wachsende Mittel- und Oberschicht anderer Weltregionen geworden ist. Eine Verlängerung dieses Trends führt zu einer untragbaren Belastung für die Ökosysteme unseres Planeten."

Vor dem Hintergrund dieser "enormen moralischen und politischen Herausforderungen" forderte Gabriel einen Paradigmenwechsel im Umgang mit materiellen Gütern und im wirtschaftlichen Denken sowie eine Umweltethik im Sinne einer Humanökologie, die sowohl eine individualethische als auch eine sozialethische Komponente besitzt: "Es braucht eine Reduktion im Konsum und Energieverbrauch der Einzelnen (Mikroebene) sowie auf der Makroebene globale Regeln, die auch sanktioniert werden können. Umweltethisch herausfordernd ist dabei vor allem die erwähnte ungleichgewichtige Verteilung in der Verursachung und die damit verbundene inner- und intergenerationelle Ungerechtigkeit. Einzubeziehen sind auf der Mesoebene zudem die wirtschaftlichen Unternehmen. Den Kirchen als größte zivilgesellschaftliche Akteure, die immer überproportional im Bereich der internationalen Armutsbekämpfung engagiert waren, kommt eine mehrfache Rolle zu: Sie sollten sich aufgrund der christlichen Botschaft für die Schwächeren stark machen, zu Maß, Verzicht und Solidarität motivieren und die Achtung vor der Natur als gute Schöpfung Gottes in ihrem Eigenwert wach halten."

Gemeinsames Engagement der Kirchen in Österreich

P. Alois Riedlsperger SJ, Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs, legte in seinem Statement den Schwerpunkt auf die gemeinsame Verantwortung der christlichen Kirchen in ökologischen und sozialen Fragen: "Wie mit der Erarbeitung des Ökumenischen Sozialwortes vor zehn Jahren wird es auch in Zukunft darauf ankommen, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften gemeinsam für Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit eintreten und sich aktiv am gesellschaftlichen Diskurs darüber beteiligen. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den notwendigen gesellschaftlichen Wandel, indem sie aufgrund von gemeinsamen Überzeugungen motivatorische Kräfte freisetzen."

Die Tagung wird veranstaltet von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien in Kooperation mit der Katholischen Sozialakademie Österreichs, der österreichischen Kommission Iustitia et Pax, Pro Oriente und dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich.

Eröffnung und Festvortrag:

Gerhard Scherhorn, Universität Hohenheim
"Nachhaltig wirtschaften. Im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie"
Zeit: Donnerstag, 10. Jänner 2013, 18 Uhr
Ort: Großer Festsaal der Universität Wien

Internationale Konferenz "Gerechtigkeit in einer endlichen Welt. Ökologie – Wirtschaft – Ethik"

Zeit: Donnerstag, 10., und Freitag, 11. Jänner 2013
Ort: Hauptgebäude der Universität Wien, 1010 Wien, Universitätsring 1,
Hörsaal 47 (Stiege 8, 2. Stock)

Tagungsprogramm:
http://ktf.univie.ac.at/site/se/forschung/veranstaltungen/article/5289.html 

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Petra Steinmair-Pösel
Institut für Sozialethik
Universität Wien
1010 Wien, Schenkenstraße 8-10
T +43-1-4277-310 04
petra.steinmair-poesel(at)univie.ac.at

Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 33
M +43-664-602 77-175 33
alexandra.frey(at)univie.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Petra Steinmair-Pösel

Institut für Sozialethik
Universität Wien
1010 - Wien, Schenkenstraße 8-10
+43-1-4277-310 04
petra.steinmair-poesel@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Mag. Alexandra Frey

Media Relations Manager
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17533
+43-664-8175675
alexandra.frey@univie.ac.at