Buchpräsentation: „Mehrsprachigkeit in Österreich – in Vergangenheit und Gegenwart“

Am Donnerstag, dem 22. April 2004, findet um 17 Uhr in den Wiener Räumlichkeiten der Ständigen Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich eine Buchpräsentation zum Thema „Mehrsprachigkeit in Österreich“ statt: Die HerausgeberInnen, beide UniversitätsprofessorInnen der Sprachwissenschaft, Rosita Schjerve-Rindler und Peter H. Nelde, stellen zwei Bände zur Sprachpraxis und -politik in der Habsburgermonarchie sowie zu sprachlichen Minderheiten und Migration in der Gegenwart vor.

Diese beiden Publikationen behandeln aus kulturwissenschaftlicher Sicht jene Probleme, die sich im Zuge des Zusammenlebens sprachlich differenzierter Gemeinschaften und im Rahmen des politischen Umgangs mit sprachlicher Vielfalt in der Habsburgermonarchie und im heutigen Österreich ergeben haben und ergeben. Durch ihren transdisziplinären Ansatz positionieren sie sich an einer Schnittstelle von Sprachwissenschaft, Geschichte und aktueller Politik. Aus den Studien geht hervor, dass die österreichische Politik langjährige Erfahrungen im Umgang mit sprachlich-kultureller Vielfalt besitzt – von den historischen Nationalitäten in der Monarchie bis zu den Volksgruppen der Gegenwart. Die relativ liberale Sprachpolitik im Vielvölkerstaat war getragen vom Prinzip der sprachlich-kulturellen Gleichberechtigung der Volksstämme und stellte im historischen Kontext des 19. Jahrhunderts ein einzigartiges Modell dar. Seine Bedeutung für analoge Problemstellungen innerhalb der Europäischen Union wird vielerorts diskutiert. Mit dem Ende der Monarchie ist dagegen ein Trend zur sprachlichen Homogenisierung zu erkennen, der dann auch seinen Niederschlag in der relativ restriktiven Volksgruppenpolitik der Zweiten Republik finden sollte. Die beiden Bände wollen Diskussionsbeiträge zu den angesprochenen Themen auf nationaler wie auf europäischer Ebene liefern und wenden sich daher insbesondere an die politisch interessierte Öffentlichkeit.

Im ersten Band („Diglossia and Power“) geht es um das Verhältnis von Sprache und gesellschaftlicher bzw. politischer Machtentfaltung in der westlichen Reichshälfte des habsburgischen Staates („Cisleithanien“) während der ersten und v. a. der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der gesellschaftliche Umgang mit verschiedenen Sprachen und die politischen Regelungen ihres Gebrauchs wurden damals zu zentralen Schauplätzen des interethnischen Konflikts. Der Band zeigt, wie im Übergang vom autoritären zum verfassungsmäßigen Staat, vor allem in der Zeit von 1848-49 und nach 1867, die nicht-deutschen Nationalitäten ihren Status neu bestimmten, indem sie die offizielle Anerkennung ihrer Sprachen und Kulturen einforderten, während die deutsch dominierte Staatsmacht mit der Gewährung von sprachlich-kultureller Autonomie ihre gefährdete Hegemonie zu halten versuchte. Im Mittelpunkt der verschiedenen Untersuchungen stehen die Aspekte der Sprachenverteilung in der Öffentlichkeit einzelner Kronländer (Böhmen, Lombardei, Bukowina, Triest, Galizien), sowie Fragen der Hierarchisierung von Status und Identität der Volksgruppen untereinander und ihrer Beziehung zur deutschen Staatsmacht.

Die Beiträge des zweiten Bandes („Der Beitrag Österreichs zu einer europäischen Kultur der Differenz“) thematisieren hingegen die aktuelle sprachlich-kulturelle Situation der in Österreich lebenden Volksgruppen und Zuwandererminderheiten. Außerdem behandeln sie Probleme und Strategien der österreichischen Minderheitenpolitik in Vergangenheit und Gegenwart. Auf dem Hintergrund der geografisch-linguistischen, historischen und sprachpolitischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Minderheit werden kontaktlinguistische Felder erhoben, beispielsweise das Bildungswesen, das private Gesellschaftsleben, das Wirtschafts-, Kultur- und Medienleben und der Bereich der grenzüberschreitenden Kontakte. Auf dieser Basis werden dann Profile erstellt, die die sprachlich-kulturelle Produktion und Reproduktion der einzelnen Minderheiten aufzeigen und dadurch einen nationalen wie auch europäischen Vergleich ermöglichen ( die Grundlage für diesen Vergleich bildete ein qualitatives Skalierungssystems, das für die vergleichende Betrachtung der Euromosaic-Studie entwickelt wurde).

Beide Publikationen kreisen also um die Frage, wie eine historisch verantwortungsvolle Politik auf nationaler und europäischer Ebene beschaffen sein soll, will sie sich im Sinne der europäischen Integration zu einer Kultur der Differenzen und damit zu Mehrsprachigkeit und Multikulturalität bekennen.

Buchpräsentation „Mehrsprachigkeit in Österreich – in Vergangenheit und Gegenwart“

Donnerstag, 22. April 2004, 17:00 Uhr

Ständige Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich

Kärntner Ring 5-7

A-1010 Wien

Rückfragehinweis:

Veronika Maggale

Institut für Romanistik

Universität Wien

Spitalgasse 2, Hof 8

A-1090 Wien

E-Mail: veronika.maggale(at)univie.ac.at

Tel.: ++43-1-4277-42626