Blütenentwicklung in 3D: Es kommt aufs Timing an

Entwicklungsprozesse bei Mensch, Tier und Pflanze werden von Genen gesteuert. Gleichzeitig unterliegen lebendige Organismen einem permanenten Stoffwechsel. Der Systembiologe Wolfram Weckwerth und sein Team haben diese Wechselwirkung von Stoffwechsel und Entwicklungsprozessen bei Blütenpflanzen (Angiospermen) untersucht – diese 300.000 Arten umfassende Pflanzengruppe ist eine der wichtigsten, da sie einerseits in Form von Obst, Gemüse und Getreide die Grundlage unserer Ernährung bildet und andererseits auch maßgeblich zur Vielfalt von Ökosystemen beiträgt. In seiner Studie verknüpft er erstmals die Änderungen des Stoffwechsels mit genauen computertomographischen Daten der Blütenentwicklung.

In enger Kooperation mit Jürg Schönenberger und Yannick Städler vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien hielten die ForscherInnen die Blütenentwicklung von Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) von der Blühinduktion bis hin zur Bildung von reifen Samen mittels eines Computer-Tomographen in 3D-Bildern fest. Von den gleichen Proben wurden Stoffwechselprofile mittels Massenspektrometrie gemessen.

"So konnten wir kleinste Veränderungen der einzelnen Blütenorgane direkt mit den entsprechenden Stoffwechselaktivitäten vergleichen. Wir sahen signifikante Unterschiede des Stoffwechsels in den unterschiedlichen Phasen der Blütenentwicklung und insbesondere während der Entwicklung einzelner Organe der Blüte", erklärt Wolfram Weckwerth, Leiter des Departments für Ökogenomik und Systembiologie. Ausgeprägte Phasen unterschiedlicher Stoffwechselaktivitäten geben einen Hinweis darauf, wie Stoffwechsel und Entwicklungsprozesse interagieren können. Die Integration von kompletten Stoffwechsel-Profilen und dreidimensionalen tomographischen Daten ist in dieser Form zum ersten Mal durchgeführt worden und eröffnet ein neues Forschungsfeld für entwicklungsbiologische, anatomische und metabolische Studien.  

Entwicklung, Sex und Stoffwechsel
Die Blütenentwicklung findet ihre Vollendung in der Vereinigung von Eizelle und Spermium. Die Eizellen befinden sich stationär in den Samenanlagen des Fruchtknotens, während die Spermien mobil sind und vom Pollen mitgebracht werden. Bei der Befruchtung wandern sie durch auswachsende Pollenschläuche zu den Eizellen. Bei erfolgreicher Vereinigung entwickelt sich ein kleiner Embryo, der in jedem Samenkorn enthalten ist. Ob eine Befruchtung erfolgreich ist, hängt vom richtigen Timing des Stoffwechsels ab, da dieser die Energie- und Biomasseressourcen für die Entwicklungsprozesse bereitstellt. Die Stoffwechselaktivitäten der einzelnen Entwicklungsphasen unterscheiden sich dabei dramatisch: War am Anfang vor allem eine hohe Aktivität des Disaccharid- und Aminosäurestoffwechsels zu beobachten, akkumulieren gegen Ende parallel zur Entwicklung der reifen Geschlechtsorgane Monosaccharide, Carbonsäuren und bestimmte Aminosäuren. Der reife Samen schließlich zeigt ein gänzlich anderes Stoffwechselmuster zu den vorhergehenden. "Es entstehen spezifische Stoffwechselsignaturen, die den genauen Ablauf der Organentwicklung der Blüte bis hin zum reifen Samen abbilden", beschreibt Anke Bellaire, Erstautorin der Studie.

In zukünftigen Studien werden nun die Stoffwechselsignaturen der Blütenentwicklung unterschiedlicher Familien der Angiospermen untersucht, um generische Modelle der Interaktion von Stoffwechsel und Entwicklungsprozessen aufzustellen.

Publikation in "New Phytologist":
Anke Bellaire, Till Ischebeck, Yannick Staedler, Isabell Weinhaeuser, Andrea Mair, Sriram Parameswaran, Toshiro Ito, Jürg Schönenberger and Wolfram Weckwerth:
Metabolism and development – integration of micro computed tomography data and metabolite profiling reveals metabolic reprogramming from floral initiation to silique development.
In: New Phytologist (2014) 202: 322–335
DOI: 10.1111/nph.12631

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