Auch Rote Riesen brodeln

40 Jahre alte Vorhersagen für fundamentalen Mechanismus der Astrophysik bestätigt

Wenn die Suppe brodelt ist der physikalische Mechanismus der Konvektion dafür verantwortlich. Dieser spielt auch eine entscheidende Rolle im Leben der Sterne. Direkt beobachten konnte man ihn aber bisher nur auf der Sonne. Ein internationales ForscherInnenteam mit Beteiligung des Instituts für Astrophysik der Universität Wien konnte nun mittels aufwändiger Beobachtungen im Infrarotbereich erstmals zeigen, dass die für die Sonne verwendeten Modelle der Konvektion auch für anders aufgebaute Sterne wie Rote Riesen gelten. Die Ergebnisse dazu erscheinen aktuell im Fachmagazin Nature.

Es ist ein allseits bekanntes Phänomen: Wenn die Hitze am Boden des Kochtopfs groß genug ist, beginnt die Suppe zu brodeln – so werden die Temperaturunterschiede im Topf ausgeglichen. Ähnliches passiert in Sternen. Auf der Sonne finden wir Millionen solch brodelnder Regionen, jede ist etwa 2000 Kilometer groß. Bislang ließ sich der Mechanismus der Konvektion aufgrund der Nähe nur bei unserer Sonne beobachten. Er spielt aber für fast alle Sterne eine ganz fundamentale Rolle. Dort war die Astronomie bisher auf Vorhersagen von einfachen Modellen aus den 1970er Jahren und wenige, äußerst aufwändige, Simulationsrechnungen angewiesen.

Nun konnten WissenschafterInnen diese sogenannten Konvektionszellen erstmals bei einem Roten Riesenstern, dem aufgeblähten, kühlen Endstadium unserer Sonne, beobachten. Ein internationales ForscherInnenteam unter der Leitung von Claudia Paladini von der Université Libre de Bruxelles und mit Beteiligung von Josef Hron und Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik der Universität Wien verwendete für diesen Nachweis der Sternkonvektion die Technik der Interferometrie. Für die Beobachtungen wurde der Stern π1 Gruis im südlichen Sternbild des Kranichs ausgewählt. Im Gegensatz zu den meisten Roten Riesensternen wird seine Oberfläche nicht von Staub verhüllt und er ändert seine Helligkeit nicht sehr stark. Die Messungen wurden im nahen Infrarotbereich durchgeführt, wo Rote Riesen besonders hell sind und die Technik der Interferometrie sehr gut funktioniert.

Dazu wurden die vier kleinen Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO so zusammengeschaltet, dass damit 20 Mal feinere Details erkennbar werden als mit einem einzelnen Teleskop. Die Teleskope sind dazu in Abständen von bis zu 80 Meter voneinander positioniert und das Licht wird dabei so zusammengeführt, dass sich die Weglängen der einzelnen Lichtstrahlen über diese Entfernung um nicht mehr als einen Tausendstel Millimeter unterscheiden.

Durch Messungen bei verschiedenen Positionen der Teleskope und Anwendung eines komplexen mathematischen Verfahrens rekonstruierten die AstrophysikerInnen so ein Bild des Sternes. Josef Hron erklärt: "Das Verfahren ist zwar sehr aufwändig, aber die einzige Möglichkeit, die Oberfläche von anderen Sternen zu untersuchen und damit einen so fundamentalen Mechanismus wie die Konvektion zu verstehen". Die gefundene Größe der Konvektionszellen von etwa 100 Millionen Kilometer passt gut zu den Vorhersagen und belegt somit die Richtigkeit der Modelle für so verschiedene Sterne wie die Sonne und Rote Riesen.

Die neuen Beobachtungen stehen gewissermaßen am Beginn einer neuen Ära. Im Jahr 2018 wird am Interferometer des VLT das Instrument MATISSE in Betrieb gehen, an dem auch das Institut für Astrophysik beteiligt ist. "Mit MATISSE werden wir neben den Konvektionszellen erstmals auch die Verteilung des Staubes und der Moleküle auf der Oberfläche Roter Riesen abbilden können. Dies wird wesentliche Fortschritte im Verständnis dieser kosmischen Staubfabriken erlauben", so Josef Hron, der in Österreich für das Projekt MATISSE (Multi-AperTure mid-Infrared SpectroScopic Experiment) verantwortlich ist.

Publikation in "Nature"
'Large granulation cells on the surface of the giant star π1 Gruis'. C. Paladini, F. Baron, A. Jorissen, J.-B. Le Bouquin, B. Freytag, S. Van Eck, M. Wittkowski, J. Hron, A. Chiavassa, J.-P. Berger, C. Siopis, A. Mayer, G. Sadowski, K. Kravchenko, S. Shetye, F. Kerschbaum, J. Kluska & S. Ramstedt. In: Nature.
DOI: 10.1038/nature25001

Wissenschaftlicher Kontakt

Ass.-Prof. Dr. Josef Hron

Institut für Astrophysik
Universität Wien
1180 - Wien, Türkenschanzstraße 17 (Sternwarte)
+43-1-4277-51855
josef.hron@univie.ac.at

Univ.-Prof. Dr. Franz Kerschbaum

Institut für Astrophysik
Universität Wien
1180 - Wien, Türkenschanzstraße 17
+43-1-4277-518 56
+43-664-602 77-518 56
franz.kerschbaum@univie.ac.at

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